Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
Vom Netzwerk:
die Warnung war für Sie gedacht, Mrs. Avery?«, flüstert sie mit weit aufgerissenen Augen.
    »Ich werde jedenfalls auf der Hut sein, falls ich unerwarteten Besuch bekommen sollte.«
    »Ich finde, wir alle schulden Mrs. Dunthorpe Dank für eine so fesselnde Demonstration ihrer übersinnlichen Fähigkeiten«, sagt Hester, die sich auf einmal dringend wünscht, das Licht würde wieder eingeschaltet und die Schatten aus den Ecken des Raumes verscheucht.
    »O ja! Wirklich bemerkenswert!«, stimmt Esme zu, die langsam wieder Farbe bekommt.
    Allmählich lässt die Anspannung im Raum nach, und lebhafte Unterhaltungen beginnen, weil jede der anwesenden Damen ihre Eindrücke von der Erscheinung mit jenen ihrer Nachbarinnen vergleicht. Sie nippen an ihrem Cognac, genießen kandierte Früchte und plaudern schließlich höflich über andere Dinge.
    »Mrs. Canning, wie ich höre, haben Sie ein neues Dienstmädchen aus London«, sagt Mrs. Avery quer über den Tisch hinweg zu Hester. Ihre Stimme klingt nicht fragend.
    »So ist es, Mrs. Avery. Cat Morley heißt sie. Sie gewöhnt sich gut bei uns ein, ist allerdings nicht so flink und tüchtig, wie ich es von einem Dienstmädchen erwartet hätte, das in einem herrschaftlichen Haushalt ausgebildet wurde.«
    »Ich habe gehört, sie sei erst vor Kurzem aus dem Gefäng nis entlassen worden. Ist das wahr?«, fragt ihre Gastgebe rin, die Gesichtszüge zu einem Ausdruck der Missbilligung zusammengekniffen. Hester spürt, wie ihr das Blut in die Wangen steigt. Wie, um alles in der Welt, konnte sich das herumsprechen? Da kam nur Sophie Bell infrage, und Hester hat sie doch ausdrücklich gebeten, mit niemandem darüber zu sprechen.
    »Nun, ich … äh …«, stammelt Hester.
    »War sie nun im Gefängnis oder nicht?«
    »Nun, bedauerlicherweise ist das wahr. Allerdings nicht sehr lange, habe ich gehört, nur eine kurze Haftstrafe …«
    »Und lassen Sie gern eine Verbrecherin bei sich wohnen, unter Ihrem eigenen Dach? Ist das denn klug ?«, fragt Mrs. Avery. Sie späht an ihrer Nase entlang und nagelt Hester mit ihrer Frage fest.
    »Mein … mein Mann und ich halten es für einen Akt der Nächstenliebe, ihr eine Chance zu geben. Sie hat ein Auskommen und die Möglichkeit, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Immerhin ist ihre Schuld in den Augen des Gesetzes gesühnt«, bringt Hester ein wenig stockend hervor.
    Mrs. Avery brummt, zupft die Ecken ihres Schultertuchs zurecht und senkt das Kinn auf die Brust. Das Licht schimmert auf ihrem eisengrauen Haar. »In der Tat. Das mag sein. Sehr löblich, gewiss, und wohl das Mindeste, was man vom Haushalt eines Geistlichen erwarten darf. Sagen Sie, was hat sie eigentlich verbrochen?«
    »Das … nun, ich … die Einzelheiten sind nur dem Mädchen selbst bekannt. Ich meine Cat Morley. Ich habe sie nicht dazu gedrängt, sie preiszugeben …«
    »Ach, ich bitte Sie! Das glaube ich Ihnen nicht – Sie müssen doch gewusst haben, welches Verbrechen sie begangen hatte, ehe sie sie einstellten! Nur eine Närrin hätte das nicht in Erfahrung gebracht! Was, wenn sie eine Mörderin wäre?«
    »Wenn sie eine Mörderin wäre, hätte sie eine sehr lange Haftstrafe verbüßen müssen und wäre niemals jung genug aus dem Gefängnis gekommen, um hier im Pfarrhaus zu arbeiten«, wirft Sarah Vickers ein, die Hesters Bedrängnis spürt.
    »Ich … ich habe mir vorgenommen, nicht darüber zu sprechen. Ich bitte um Verzeihung, Mrs. Avery«, sagt Hester mit rasendem Puls und brennenden Wangen. Sie windet sich ein wenig und wünscht verzweifelt, die Frau möge ihren durchdringenden Blick irgendwo anders hinwenden. »Was immer sie getan hat, muss sie allein mit Gott ausmachen. Ich hoffe, dass sie hier all das hinter sich lassen kann.«
    Mrs. Avery zieht kühl die Brauen hoch, und ihr Mund wird noch schmaler. »Ihre Diskretion ist gewiss vorbildlich«, sagt sie, doch die Worte klingen wie ein Peitschenknall.
    Unvermittelt keucht Esme Bullington auf und schlägt sich die Hand vor den Mund.
    »Mrs. Canning! Was, wenn die Warnung Ihnen galt? Was, wenn Ihr neues Hausmädchen die Person ist, die der Geist gemeint hat – die Quelle des Bösen, das in Ihr Haus eingezogen ist?«, fragt sie und packt mit ihren kurzen, knochigen Fingern Hesters Arm.
    »Oh! Gewiss nicht. Ich bin sicher, dass der Geist nicht Cat gemeint haben kann …« Hester lächelt unsicher.
    »Haben Sie ältere weibliche Verwandte, die in letzter Zeit dahingegangen sind?«, fragt Mrs. Dunthorpe sie ernst.

Weitere Kostenlose Bücher