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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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ohne den Satz zu beenden. Seine Hände liegen zu beiden Seiten ihres Gesichts, halten zärtlich ihren Kopf und streicheln ihr Haar. Hester windet sich ein bisschen, weil sie will, dass seine Hände sich abwärts bewegen und ihre Brüste, ihren Bauch und ihre Hüfte berühren. Instinktiv bewegt sie die Knie auseinander, Stückchen für Stückchen, sodass es scheint, als würden sie durch das Gewicht seines Körpers gespreizt. Schließlich ruht er an ihrem Becken, und Hester legt die Hände auf seine Hüften, um ihn noch fester an sich zu drücken. Das Gefühl ist unwiderstehlich, beinahe zwingend. Sie spürt einen köstlichen Schmerz tief im Inneren und erbebt vor erwartungsvoller Anspannung. Sie lässt die Hände zu seinem Gesäß wandern und zieht ihn an sich. Albert erstarrt. Er hebt den Kopf, und sie hört ihn schnell und beinahe panisch atmen.
    »Albert, was hast du?«, fragt sie und reckt ihm das Gesicht entgegen, um erneut geküsst zu werden. Doch Albert rückt noch weiter ab. Er schluckt hörbar, klettert vorsichtig von ihr herunter und bleibt auf seiner Seite des Bettes liegen, ohne sie auch nur zu berühren. »Albert, bitte! Sag mir doch, was ist«, flüstert Hester, tief verletzt von seiner Zurückweisung.
    »Es tut mir so leid, Hetty«, sagt er kleinlaut und verzweifelt. Hester spürt seinen Kummer und beißt sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen. Doch sosehr sie sich bemüht, sie findet keine tröstlichen Worte für ihn, kann ihm nicht sagen, es sei doch nicht so wichtig. Denn in diesem Augenblick ist es wichtiger als alles andere auf der Welt. Sie liegt lange schweigend da, zu aufgewühlt, um schlafen zu können. An Alberts Atem und Reglosigkeit erkennt sie, dass auch er noch wach ist. Sie liegen nur ein paar Fingerbreit voneinander entfernt, doch Hester kommt es so vor, als gähne ein breiter Abgrund zwischen ihnen.
    In ihrer Dachkammer beginnt Cat einen Brief an Tess. Für mich war in dieser vergammelten Zelle das Schlimmste, zu wissen, dass Du irgendwo ganz in der Nähe warst, in einer ebensolchen Zelle, ich Dich aber trotzdem nicht sehen oder mit Dir sprechen konnte , schreibt sie. Die flackernde Kerze lässt den Schatten ihres Stiftes taumeln und hüpfen. Aber was sie schreibt, ist nicht wahr. Das Schlimmste war das Warten gewesen, im blassen, kalten Morgenlicht, das sie immer so früh weckte. Dann hörte sie den Rollwagen und die Schritte den Gang entlang in ihre Richtung kommen. Sie hörte, wie der Wagen stehen blieb, wie sich Türen öffneten und wieder schlossen, hörte die Schreie und das Handgemenge dahinter, die erstickten Laute, das Würgen und Husten, die Flüche der Wärter. Die ganze Zeit kam all das immer näher, und die ganze Zeit über wusste sie, dass sie schon bald die Nächste sein würde. Gleich war sie an der Reihe. Darauf zu warten war das Schlimmste, denn die Angst raubte ihr fast den Verstand. Benebelt von Hunger und Furcht lag sie an so manchem Morgen eine Stunde lang da und lauschte diesem Wagen, der quietschend und klappernd immer näher kam. Das Geräusch schob eine Bugwelle des Grauens vor sich her die Reihe der Zellen entlang, so stark, dass es beinahe greifbar wurde. Die wenigen einfachen Gegenstände an Bord dieses kleinen Gefährts reichten aus, um selbst starken Herzen alle Kraft zu rauben und Cat Tränen blanker Panik in die Augen zu treiben.
    Ich werde diesen Brief in die Broughton Street schicken in der Hoffnung, dass Du Dich dort gemeldet und Nachricht hinterlassen hast, wo Du jetzt bist , fährt sie fort. Dann hält sie inne und steckt das Ende des Stiftes zwischen die Zähne. Wie kann es sein, dass sie nicht weiß, was sie ihrer besten Freundin schreiben soll? Dem Menschen, an den sie am meisten denkt? Ich vermisse Dich so sehr, Tess. Hier ist es gar nicht übel, das erkenne ich wohl, doch ich fühle mich die ganze Zeit gefangen. Ich fühle mich, als wäre ich noch immer im Gefängnis. Ergeht es Dir auch so? Als wir beide uns zu jener ersten Versammlung aus dem Haus geschlichen haben – da waren wir frei, Tess! Zum allerersten Mal. Ich hätte nie gedacht, dass es so enden könnte. Cat starrt auf ihren eigenen schwachen Schatten an der Wand und versinkt in der Erinnerung an damals. Sie hätten nicht einmal Freundschaft schließen dürfen, ein Stubenmädchen und ein Küchenmädchen. Cats Rang war höher, und sie sollte eigentlich nicht mit dem niederen Personal sprechen, nicht einmal bei den Mahlzeiten, zu denen sich die Dienerschaft dreimal täglich an

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