Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
verraten. Sie weiß gar nicht, was sie eigentlich zu verbergen versucht, doch in letzter Zeit ist da etwas. Da ist ganz eindeutig etwas. Robin schüttelt Amelia sacht die Hand.
»Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mrs. Entwhistle«, sagt er mit seinem breiten, entwaffnenden Lächeln. Und Amelia kann nicht anders, als es zu erwidern.
»Ebenfalls sehr erfreut«, sagt sie.
»Tja, ich muss zum Bahnhof, der Zug nach Reading geht bald. Ich habe da etwas zu erledigen … aber ich hoffe, dass wir beim Abendessen Gelegenheit haben werden, uns ein wenig zu unterhalten, Mrs. Entwhistle. Kann ich Ihnen irgendetwas aus der Stadt mitbringen, Mrs. Canning?« Er sieht Hester mit strahlenden Augen an, und es fällt ihr schwer, seinem Blick zu begegnen.
»Nein, danke sehr, Mr. Durrant.« Sie kann nicht verhindern, dass die Worte ein wenig barsch klingen.
»Dann wünsche ich den Damen einen schönen Tag.« Er verabschiedet sich mit einer kleinen Verbeugung und spaziert in Richtung Gartentor davon. Sobald er außer Sicht ist, wendet Amelia sich ihrer Schwester zu und mustert sie neugierig.
»Wir haben viel zu bereden«, sagt sie, als die beiden ins Haus gehen. Im Flur beugt Cat sich vor und stemmt den schweren Koffer ein zweites Mal hoch.
Die beiden Schwestern lassen sich im Schatten eines Kirsch baums auf der Terrasse hinter dem Haus nieder, wo der Hauch einer Brise die stehende Hitze bewegt. Sie sitzen auf filigranen Eisenstühlen, die so heiß sind, dass sie durch ihre Röcke auf der Rückseite ihrer Beine brennen. Amelia fächelt sich mit einem wunderhübschen Seidenfächer sanft Luft zu, und ihr Blick folgt instinktiv ihren Kindern, die durch den Garten rennen und hüpfen. Sie spielen beinahe grimmig entschlossen, mit schmalen Augen und gerunzelten Stirnen.
»Ich habe noch nie eine solche Hitze erlebt wie in diesem Sommer!«, verkündet sie schließlich. »Auf der Fahrt hierher sind wir einer Gruppe Kinder begegnet, die auf der Straße gespielt haben, und weißt du, was sie gemacht haben? Sie haben Strohhalme in Blasen von geschmolzenem Teer auf der Straße getunkt, als Leim, und die Halme dann zu Buchstaben und Bildern an eine Scheunenwand geklebt! Ge schmolzener Teer, und das vor zehn Uhr morgens!«
»Wirklich außergewöhnlich. Mich erschöpft diese Hitze sehr, dich auch?«, stimmt Hester zu.
»Wahrlich. Du hast in deinen Briefen nicht erwähnt, dass Mr. Durrant so …«
»So was?«
»So jung und gut aussehend ist«, sagt Amelia und beobachtet ihre Schwester aufmerksam.
»Ich muss doch erwähnt haben, dass er jung ist? Und gut aussehend … das war mir noch gar nicht richtig aufgefallen, um ehrlich zu sein. Sieht er denn so gut aus?«, entgegnet Hester ausweichend. Plötzlich ist sie verlegen, als hätte man sie bei einer Lüge ertappt.
»Das weißt du genau – jetzt spiel hier nur nicht die Unschuld. Du hast Augen im Kopf, nicht wahr? Oder hast du nur Augen für Albert?«
»Vielleicht liegt es daran, ja … Außerdem ist er unser Gast. Da denke ich natürlich nicht an solche Dinge. Und zudem …« Sie verstummt verlegen und weiß selbst nicht so recht, was sie hatte sagen wollen.
»Ja?«
»Ach, nichts. Aber bitte, Amy, nun sag mir, was dich so bekümmert?«, fragt Hester, um das Thema zu wechseln. Cat kommt mit einem Tablett Eistee und Limonade, frischen Orangenschnitzen und Sandkuchen an den Tisch. Kleine Schweißtropfen stehen auf ihrer Stirn. Amelia wartet, bis das Dienstmädchen wieder ins Haus gegangen ist, ehe sie seufzend beginnt.
»Du darfst mit keiner Seele darüber sprechen, nicht einmal mit Albert. Versprichst du mir das? Also, der Kummer, den du mit Albert hast, meine Liebe … das Problem, von dem du mir öfter schreibst? Ich fürchte, ich habe genau das gegenteilige Problem mit Archie.« Sie legt den Fächer an die Lippen, als widerstrebte es ihr, die Worte hinauszulassen.
»Ich verstehe dich nicht ganz, Amy«, flüstert Hester, als die Kinder ganz dicht an ihnen vorbeilaufen, mit geröteten Gesichtern und schweißfeuchtem Haar.
»Ich habe ihn neulich dabei ertappt, wie er … wie er … sich zum Narren gemacht hat. Mit dem Zimmermädchen, Danielle.«
» Nein! Ach, du Ärmste, das ist ja grauenhaft! Bist du sicher ?«
»Absolut sicher, fürchte ich. Oh, das Mädchen habe ich natürlich sofort hinausgeworfen. Das ist erst diese Woche passiert, und um ehrlich zu sein, ist das der Grund dafür, dass er nicht mit uns hierhergereist ist. Und so etwas ist schon früher vorgekommen, obwohl ich dir
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