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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Verstörendes. Der Himmel war konturlos weiß, von derselben Farbe wie das wallende, beinahe durchscheinende Kleid der Gestalt. Es schmiegte sich vorn an einen dünnen Körper, flach wie der eines Kindes, und doch wirkten die Haltung der knochigen Arme und Beine und das Größenverhältnis zwischen Kopf und Körper erwachsen. Das Foto hatte eine ausgeblichene Leuchtkraft, die nicht von dieser Welt zu stammen schien. Als wäre das Licht an jenem Tag sehr seltsam gewesen, oder die Luft ungewöhnlich dunstig. Es war ein unheimliches Bild, und Leah starrte darauf, bis ihr die Augen brannten. Die Gestalt wirkte auf sie eher wie ein Geist denn wie eine Fee.
    Auf dem zweiten Foto war sie sogar noch schwerer zu erkennen. Die Weide beherrschte die Aufnahme, die diesmal aus größerer Nähe gemacht worden war. In ihrem Schatten war die Gestalt nur ein bleicher Fleck, der sich fest an den Stamm schmiegte. Die Arme reckten sich zu den Zweigen empor, der Kopf war seitlich nach unten geneigt, das Gesicht auch diesmal verborgen im Schatten und hinter Strähnen des langen Haars, das wie Spinnweben bis über ihre Taille fiel. Leah wünschte, sie könnte die Seite ausdrucken. Sie studierte die Fotografien lange, während ihre Nase immer näher an den Bildschirm heranrückte. Wenn man den Wunsch hatte, diesen Fotos zu glauben, dann konnte man das ohne Weiteres, und obwohl die Gestalt darauf androgyn wirkte und nur undeutlich zu erkennen war, vermittelte sie dennoch den Eindruck von Schönheit und Zartheit. Sie wusste von Mark Canning, dass der Mann, der diese Aufnahmen gemacht hatte – Robin Durrant –, damals im alten Pfarrhaus bei Marks Urgroßeltern zu Gast gewesen war. Ohne große Mühe bei der Recherche hatte sie mit Mark bereits einen direkten Nachfahren der Frau gefunden, die dem toten Soldaten diese Briefe geschrieben hatte. Doch Zugang zu ihrer DNA zu haben würde bei der Identifizierung des Soldaten nicht helfen. Leah wusste instinktiv, dass diese Briefe nicht an einen Familienangehörigen gerichtet waren. Hatte die Pfarrersfrau sie womöglich an diesen Robin Durrant geschrieben?
    Draußen kam die Sonne hervor, so blendend grell, dass Leah auf dem Bildschirm kaum noch etwas erkannte. Sie blinzelte in dem plötzlichen Licht und wandte sich vom Fenster ab. Als Nächstes überflog sie ein paar der esoteri schen Websites, wo dieselben Fotos und ihre Geschichte sich den besser bekannten Cottingley-Feen unterordneten, die in Arthur Conan Doyle einen berühmten Verfechter gehabt hatten. Auf einer Site fand sie eine kurze Biografie von Robin Durrant, in der er nicht als Spiritist, sondern als Theosoph bezeichnet wurde. Leah schrieb den Begriff, den sie nicht kannte, in ihr Notizbuch. Dann lehnte sie sich zurück, schaute mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster und betrachtete die Leute, die draußen vorbeiliefen. Die Straße hatte im plötzlichen grellen Licht alle Farbe verloren und zeigte Menschen und Gebäude nur noch als scharf umrissene Silhouetten. Dieselbe Sonne würde zu einer anderen Jahreszeit alles weichzeichnen und die vielen Farben hervorlocken. Jetzt war ihr Schein so scharf und erbarmungslos wie ein Messer. Leah sah auf die Uhr. Mark Canning hatte sie eingeladen, mittags das alte Pfarrhaus zu besichtigen. Sie hatte also noch eine Stunde Zeit. Im Swing Bridge Pub hatte er ihr erzählt, dass die Feenfotos seinen Eltern und Großeltern, die zutiefst rationale Menschen waren und mit so etwas nichts anfangen konnten, stets ein wenig peinlich gewesen waren. Dass ein ansonsten untadeliger Vorfahr, der Pfarrer Albert Canning, auf einen so offensichtlichen Betrug hereingefallen war, galt als höchst befremdlich und tragisch.
    Leah dachte an Mark, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte – in der Dunkelheit vor dem Pub, als sie sich recht steif vonei nander verabschiedet hatten. Ein winziger Muskel in der grauen Haut unter seinem Auge hatte immer wieder ge zuckt wie ein kleiner Schluckauf, selbst im trüben Licht der einzelnen Glühbirne über der Tür gut zu erkennen. Das war ein deutliches Anzeichen von Erschöpfung, und Leah hatte die Finger unter ihr eigenes Auge gedrückt, wie in mitempfundener Unruhe. Mark hatte diese seltsame Geste anscheinend nicht bemerkt. Sie hatte ihm keine weiteren persönlichen Fragen gestellt, abgesehen von jenen, die nötig waren, um sein Verwandtschaftsverhältnis zu Hester Canning aufzuklären. Natürlich hatte sie darauf gebrannt, mehr über ihn zu erfahren, aber er war in dieser Hinsicht so

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