Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)
deine Arbeit«, sagte sie gleichmütig. »Ich weiß, dass die Kinder, die zu dir kommen, sehr leiden und dass du ihnen hilfst, und ich finde es großartig, dass du das kannst. Reicht dir das nicht? Was willst du noch von mir?«
»Und wenn ich dir von der mythologischen Seite der Erinnerungshilfen erzähle?«
Sie wollte protestieren, doch damit hatte er einen Köder ausgeworfen, dem sie nicht widerstehen konnte.
»Schon vor vier- bis sechstausend Jahren sollen Mystiker im Indus-Tal Meditationshilfen geschaffen haben, mit denen sich Menschen in einen Zustand tiefster Entspannung versetzen konnten, um auf Erinnerungen aus früheren Existenzen zurückzugreifen.« Malachais beruhigende Stimme tat ihre Wirkung, und Jac überließ sich dem Fluss der Erzählung. »Es waren genau zwölf Hilfsmittel – nach der mystischen Zahl, die man in allen Religionen und überall in der Natur findet. Zwölf Objekte, die bewirken können, dass Erinnerungen die Zeitbarriere überwinden. Ich vermute, und andere Experten teilen diese Auffassung, dass innerhalb der letzten Jahre zwei dieser Objekte entdeckt worden sind. Das erste war eine Sammlung von Edelsteinen, das zweite eine aus Menschenknochen gefertigte Flöte. Je nachdem, welche Zeitung man liest, gehendie Meinungen darüber auseinander, was aus diesen Objekten geworden ist, doch eines steht fest: Sie sind für die Forschung nicht mehr zugänglich, und wir haben keinerlei Möglichkeit, etwas über sie herauszufinden. Es ist eine Farce.«
»Wie sind sie verlorengegangen?«
»Durch Bürokratiewahnsinn. Unsinnige Vorschriften. Pannen, Schicksalsschläge. Bei mir dreht sich zwar alles darum, Menschen zu einem Blick zurück zu ermuntern, aber in diesem Fall halte ich es anders. Was vorbei ist, ist vorbei. Ich werde nie wieder eine Chance verpassen, eins der Werkzeuge zu finden.« Er hielt inne und sah sie an, als suchte er etwas in ihrem Gesicht. Dann sprach er mit besonderem Nachdruck weiter. »Seit hundertfünfzig Jahren wissen die Mitglieder unserer Gemeinschaft von diesen Erinnerungshilfen, haben Menschen gekannt, die davon wussten, haben sie gesehen oder sogar besessen.« Er breitete die Arme aus, als wollte er die gesamte Phoenix Foundation umschließen. »Eines dieser Werkzeuge war ein Parfüm. Und was ich darüber gehört habe, gleicht exakt deiner Familienlegende.«
»Und du glaubst, das ist ein typischer Fall einer Synchronizität, für die es keine logische Erklärung gibt.«
»Ich weiß, dass es eine ist. Es gibt keine Zufälle, das besagen Reinkarnationstheorien seit Anbeginn der Geschichte, in allen Zeitaltern und Zivilisationen. In manchen Kulturen des Ostens würde man unsere Zweifel an solchen Offenbarungen des größeren Ganzen für ungefähr so sinnvoll halten wie Zweifel daran, dass Wasser nass ist.«
Jac verzichtete darauf, zu widersprechen. Das hatte sie oft genug getan. Malachai zählte dann die Namen sämtlicher Geistesgrößen auf, die im Lauf der Geschichte die Lehre von der Wiedergeburt verfochten hatten, von Pythagoras bis zu Benjamin Franklin, George S. Patton, Henry Ford und natürlich C.G. Jung.
»Wenn es dir gelingt, einen Duft zu kreieren, der als Erinnerungshilfe funktioniert, wäre er ein Vermögen wert.«
Malachai hatte nie den Anschein gemacht, sich für Geld zu interessieren, und es verwunderte Jac, dass er diesen Aspekt erwähnte. Doch an dem heutigen Gespräch war schon so vieles verwunderlich gewesen.
Als ahnte er ihre Gedanken, sagte Malachai: »Mir bedeutet dieses Geld nichts. Du könntest es behalten und damit euren Familienbetrieb sanieren. Ich will nur das Parfüm.«
»Um den Kindern zu helfen?« Jac war sicher, dass noch mehr dahinterstand, und sie wollte wissen, was es war.
»Natürlich.« Er runzelte die Stirn. »Zweifelst du etwa daran? Das ist mein Lebenswerk.«
Jac hatte ihn nie verdächtigt, irgendetwas Unrechtes zu tun, nie an seinen hehren Motiven gezweifelt. Was war es nur, das sie jetzt so skeptisch machte?
Sie hielt den Flakon gegen das Licht. Ein kleiner Regenbogen erschien auf Malachais weißer Hemdmanschette. Jac drehte das Fläschchen, und der Lichtfleck wanderte die Wand entlang.
»Gab es in euren Unterlagen Hinweise auf die Rezeptur? Weißt du, worauf der Duft aufgebaut ist?«
»Es gibt nur die Korrespondenz zwischen zwei Mitgliedern der Phoenix-Gemeinschaft, einem aus New York und einem Franzosen. Der Franzose schreibt darin, er habe in Paris einen Parfümeur kennengelernt, der den Überrest einer antiken
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