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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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Parfümerie entwickelt worden war. Anfang der 1960er, noch vor Griffins Geburt, hatte man die Produktion eingestellt. Er war der erste und letzte Mann, an dem sie diesen besonderen Duft je wahrnahm. Als sie ihn fragte, wie er dazu gekommen war, erzählte er, er hätte den Flakon in einem Strandhaus gefunden, das seine Großeltern einmal im Sommer gemietet hatten. Es war der einzige persönliche Gegenstand gewesen, den die Besitzer im Badezimmer zurückgelassen hatten. »Und das Einzige, was ich je gestohlen habe«, hatte er gesagt.
    Griffin hatte kein gutes Gespür für Düfte. Ihn hatte vor allem die rätselhafte Geschichte angezogen. Warum war die Flasche so allein, so verwaist zurückgeblieben?
    Für Jac erzählte auch der Duft selbst eine Geschichte. Seine Zutaten waren so alt wie die Heilige Schrift: Bergamotte, Zitrone, Honig, Ylang-Ylang, Süßgras, Zibet und Moschus. Schwere blumige und animalische Noten, die zusammen jene einzigartige Melange ergaben, die sie seither fest mit Griffinverband. Mit ihrer gemeinsamen Zeit, mit dem Staunen, dem Erblühen der Liebe, dem Ende der Einsamkeit. Und dann mit Trauer und Wut.
    Jahre nach ihrer Trennung durchstöberte sie noch immer Flohmarkttische und Ebay-Auktionen und kaufte sich halb leere Flaschen von dem Duft. Acht Flakons verbarg sie ganz hinten in ihrem Schlafzimmerschrank. Trotz der Verpackung und der Dunkelheit verdunstete das Parfüm allmählich. Wie Momente der Vergangenheit, die allmählich ihre Konturen verlieren.
    Die haltbarsten Parfüms stammten aus dem Alten Ägypten. Man sagte ihnen sogar nach, dass sie mit der Zeit reiften und besser wurden. Moment. Ägypten? Die Frau in ihrer Halluzination hatte auch an Ägypten gedacht.
    Jac versuchte, sich daran zu erinnern, warum. Ihr Verlobter war dort gestorben.
    Jetzt hallte der Schmerz der Fremden in ihr nach und vermischte sich mit ihrem eigenen. Jacs Freund war nicht gestorben. Er hatte sie verlassen. Doch war das nicht auch so etwas wie sterben gewesen?
    Jac war so ahnungslos in die Beziehung hineingestolpert, wie man es nur beim ersten Mal kann. Wenn man noch nicht weiß, dass die Kehrseite der Liebe so rau ist, dass schon der kleinste Kontakt blutende Wunden reißt, einen Schmerz entfacht, der so groß ist, dass alles andere dahinter verschwindet.
    Jac hatte gerade in Kalifornien ihr Studium abgeschlossen, als Griffin in Yale seinen Doktortitel bekam und ihm eine attraktive Stelle in einer ägyptischen Ausgrabungsstätte angeboten wurde. Die Archäologen ermittelten bei diesem Projekt mit Hilfe von Magnetometern die Lage pharaonischer Bauwerke bei Portus Magnus, Alexandria, Kanopus und Heraklion.
    Bevor Griffin abreiste, wollten sie zusammen eine Woche in New York verbringen.
    Es war ein warmer Sommerabend, und die Abendsonne warf lange Schatten über den Teich. Sie waren so tief im Central Park, dass die Insekten und Singvögel das Rauschen des Verkehrs übertönten. Während sie auf der Terrasse des Bootshauses Weißwein tranken, glitten Ruderboote über das Wasser, so sanft, dass die Enten und Schwäne sich nicht stören ließen. Gleich rechts neben der Terrasse flatterten Schmetterlinge um ein Beet voller Wildblumen.
    Jac, die ihre Abschlussarbeit über den Symbolgehalt von Schmetterlingen in der Mythologie geschrieben hatte, staunte über die Vielfalt, die es mitten in Manhattan gab. Sie zeigte Griffin einen silbrig-grauen Bläuling, der fast wie Perlmutt schimmerte. Und einen tiefblau-schwarzen Ritterfalter.
    Griffin sah gar nicht hin. Er stürzte seinen Weißwein hinunter, starrte ins Leere und sagte so leise, dass sie sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen, sie solle nicht auf ihn warten, wenn er in Ägypten sei.
    »Wieso warten?«, fragte sie verständnislos.
    »Auf mich. Auf uns.«
    Der Ritterfalter war so nah, dass sie die sieben orangefarbenen Flecken auf seinen Hinterflügeln zählen konnte. Die Flügel, das hatte sie gelesen, berührten einander nie.
    »Warum denn nicht?« Die Worte lagen ihr schwer im Mund. Es klang, als würde sie sie eher ausspucken als sprechen.
    »Du erwartest zu viel von mir. Ich werde deinen Vorstellungen nie gerecht werden können.«
    Sie hörte die Worte und verstand jedes einzelne, doch im Ganzen ergaben sie einfach keinen Sinn.
    Er schien ihre Verwirrung zu bemerken. »Ich fühle mich klein, wenn du so hehre Vorstellungen von meiner Zukunft hast. Egal, was ich tue, es wird dich immer enttäuschen. So kann ich nicht leben.« Er klang resigniert.
    »Redest du von

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