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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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hinter der Tür.

46
    Sie träumt, dass sie Sex haben. Einer dieser wirren, beunruhigenden Träume, die uns klarmachen, dass wir die Vergangenheit nie ganz ablegen können. Sie spürt seinen festen, warmen Körper an ihrem, die buttrige Weichheit seiner Haut, die raue und doch sanfte Berührung seiner Hände. Sie ist gleichermaßen angewidert und erregt: Schämt sich sogar im Schlaf, dass er noch immer eine solche Macht über sie besitzt.
    »Du gehörst mir. Du wirst immer mir gehören«, flüstert Kieran, küsst die zarte Haut an ihrem Hals, und sie spürt, dass sie als Reaktion den Rücken krümmt und eine Woge der Lust ihren Körper durchflutet.
    Oh, mein Gott, bitte hör auf. Bitte, nicht. Hör nicht auf.
    Er ist noch immer da auf ihrer Haut, als die Tür aufgeht. Widert sie an und erregt sie gleichermaßen. Er hatte schon immer diese Macht über sie, sogar bis ganz zum Schluss, als die Gewalt anfing, auch auf ihr Sexleben überzugreifen. Durch die Lust konnte er sie schwach machen, als er sah, dass die Angst allmählich ihre Wirkung verlor. Sie schämt sich so. Ist von ihrer eigenen Schwäche angewidert.
    Sie ist noch schlaftrunken, starrt verwirrt in die Dunkelheit und ist sich zunächst unsicher, ob sie wirklich durch das Geräusch der Tür aufgewacht ist. Yasmin hat das Licht im Flur nicht eingeschaltet, und sie kann nur spüren, dass sie da in der Tür steht und wartet.
    Oh, Gott sei Dank. Sie hat mir verziehen.
    Sie kämpft, findet ihre Stimme. »Hallo, Darling.«
    Yasmin antwortet nicht.
    Sie wartet ab. Nichts geschieht.
    »Kannst du nicht schlafen?« Keine Antwort. »Yasmin?« Bridget rutscht auf die kühle linke Seite des Betts hinüber. »Möchtest du hereinkommen?«
    Hört ihre Schritte auf dem Boden.
    Yasmin steht neben dem Bett, über ihr, ist nicht zu sehen und schweigt.
    »Tut mir leid«, sagt Bridget. »Wenn es dich beruhigt, ich konnte auch stundenlang nicht einschlafen. Wir sollten nicht miteinander streiten, wir zwei.«
    Keine Antwort.
    Sie hebt die Decke an, hält sie hoch.
    »Es ist eisigkalt«, sagt sie. »Mach schon. Komm rein. Ich wärme dich.«
    Die Entscheidung fällt wortlos. Sie hört das Knacken der Bettfedern, spürt, wie die Matratze nachgibt. Hält die Arme auf, um sie zu umschließen.
    Yasmin ist kalt. Fühlt sich eisigkalt an; die Haare, das Nachthemd, die Füße, die Haut. Als wäre sie in eisiges Wasser gefallen. Sie liegt steif neben ihr, reagiert nicht. Als sei das Blut in ihren Adern zu Eis gefroren.
    »Ach, Darling«, flüstert Bridget, »du warst ja stundenlang aus dem Bett. Komm. Ich wärme dich auf.«
    Sie schlingt die Arme um sie, drückt das Kinn auf ihren Kopf und reibt ihr mit beiden Händen über den Rücken. Ihre Haare fühlen sich seltsam an: stachelig, struppig; das sind nicht die seidigen Strähnen, die sie kennt. Ihre Tochter sagt nichts. Liegt steif in ihren Armen, das kalte Gesicht an ihren Hals gedrückt. Ich kann sie heute Nacht nicht riechen, denkt Bridget. Kann ihren Atem nicht spüren. Sie ist so steif, als müsste ich ihre Gelenke brechen, wollte ich sie beugen.
    »Es ist alles in Ordnung«, flüstert sie. »Ich passe auf dich auf, Darling. Ich halte dich warm. Ich sorge dafür, dass du sicher bist.«
    Zähne. Zähne bohren sich direkt über ihrem Schlüsselbein in ihren Hals.
    Bridget schreit auf. Yasmin krallt ihre Finger in ihre Oberarme. Kratzt sie, klammert sich fest, tritt ihr gegen die Schienbeine.
    »Yasmin! Hör auf! Au! Was machst du denn? Hör auf!«
    Sie schiebt sie mit aller Kraft von sich, löst ihren Griff, stürzt aus dem Bett. Vor Wut und Schmerz sieht sie nur noch Rot. Sie tastet nach dem Lichtschalter. Was geht da vor? Was geht da eigentlich vor?
    Das Licht blendet sie, lässt sie die Hände über die Augen legen. »Was machst du denn da?«, schreit sie. »Mein Gott, Yasmin …«
    Das Bett ist leer. Bett und Zimmer sind leer. Es ist niemand da, nur ich. Die Tür ist geschlossen. Vom Flur ist kein Laut zu hören.
    Es ist niemand da.
    Aber das war kein Traum. Das habe ich nicht geträumt. Siehst du? Mein Herz klopft wie wild. Die Haare auf meinen Armen stehen mir zu Berge. Ich kann die Kälte noch immer spüren, die tiefe, schwarze Kälte, wo sie sich an mich gedrückt hat.
    Bridget schlottert. Sie streckt die Hand aus und sieht, dass sie zittert. Fährt sich über den Hals. Ich kann es spüren. Ich kann die Stelle spüren, an der sie mich gebissen hat. Das ist kein Traum. Ich kann es spüren.
    Sie nimmt die Finger vom Hals und sieht,

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