Das Haus der verlorenen Kinder
Frühstücksgeschirr von Rise’n’Shine und Stahltöpfe von Vesta zu sehen – nur Wasser zum gefriergetrockneten Hühnchencurry hinzufügen –, aber stattdessen bietet das Kühlregal das ungesunde Essen des einundzwanzigsten Jahrhunderts: stapelweise mit künstlichen Aromen versetzter Orangensaft und fertige Lasagne. Hüttenkäse mit Ananas. Fettarmer Joghurt. Räucherwürste von Mattesons. Wie lecker … da läuft einem doch gleich das Wasser im Mund zusammen.
Eine Dame sitzt auf einem Barhocker hinter der verstärkten Glasscheibe des Postschalters. Diese Scheibe dient eher dazu, anzuzeigen, wo sich der Schalter befindet, als dass sie eine echte Sicherheitsmaßnahme darstellen würde. Wollte jemand den Schalter ausrauben, brauchte er nur durch die offene Tür in ihren Käfig einzutreten. Bridget schaut von der jämmerlichen Auswahl an Gemüse und Zwiebeln auf, und ihre Blicke treffen sich. Sie lächelt.
»Wenn Sie etwas nicht finden«, sagt die Dame, »fragen Sie nur.«
»Danke«, antwortet sie. »Ich denke, ich finde mich zurecht.«
»Gut«, sagt die Dame, »Sie wissen ja, dass wir da sind.«
Sie macht sich wieder daran, ihr großes Buch mit bunten Briefmarken durchzublättern.
Bridget legt unten in ihren Drahteinkaufskorb eine Ausgabe des Mirror, und macht sich daran, den Korb vollzuladen. Sie wird erst am Montag zum Supermarkt nach Wadebridge fahren, weil sie davon ausgeht, dass montags dort weniger los ist. Bohnen. Schinken. Eier. Spaghetti. Beinahe hätte sie nur die langen Spaghetti genommen, aber da bemerkt sie, dass auf dem obersten Regalbrett zwischen den Fertigsaucen drei Gläser Pesto stehen: die Lieblingssauce der Neunziger. Selbst in Meneglos hat man das mitbekommen.
Sie muss sich beeilen. Yasmin steht bereits vor der Kasse bei dem Ständer mit den Süßigkeiten. Im Kühlregal finden sich drei Pastetensorten. Mensch, denkt sie, ich bin wirklich in Cornwall. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich zum letzten Mal eine Pastete gesehen habe, die nicht von Ginsters stammte. Sie beschließt, alle drei heute beim Abendessen zu den Bohnen auszuprobieren, und tut sie in ihren Korb. Und dann denkt sie: Was soll’s? Wir nehmen auch noch Crème fraîche dazu. Das Leben kann schließlich nicht nur aus Minirationen bestehen. Sie läuft zurück, um Mehl und Marmelade und Remouladensauce zu holen. Heute Nachmittag wird sie Yasmin in das Vergnügen von Scones einweihen. Jetzt, da sie nicht mehr befürchten muss, dass der Backofen ihr Stromkontingent schneller aufbrauchen wird. Tiefgefrorene Erbsen. Fischstäbchen. Backofen-Pommes-frites. Ein großer Laib Vollkorntoastbrot. Jetzt hat sie mehr als genug für das Wochenende.
Die Dame an der Kasse nimmt ihr den Korb ab und macht sich ganz langsam daran, die Artikel einzutippen und einen nach dem anderen in eine blauweiß gestreifte Plastiktüte zu stecken. »Sie machen hier im Ort Urlaub, nicht wahr?«
Das ist ein einheimischer Laden für die Einheimischen …
»Ja«, antwortet Yasmin. »Ja – na ja, nein«, sagt Bridget. Sieht, dass man ihren Londoner Akzent bemerkt hat, und erkennt, dass die Information mit Enttäuschung aufgenommen wird. »Genau genommen sind wir gerade hierhergezogen. Ein Stück die Straße hinauf.«
Die Frau blickt interessiert auf. »Tatsächlich? Ich habe gar nicht gehört, dass etwas zum Verkauf stand …«
»Nein, ich bin Haushälterin. Droben in Rospetroc. In Rospetroc House.«
Sie rutscht auf ihrem Hocker hin und her. »Ach, klar.«
Sie tippt das Toastbrot, die Erbsen ein. Verschafft sich so Zeit zum Nachdenken, wie Bridget bemerkt.
»Und, wie gefällt es Ihnen?«
»Gut«, antwortet sie. »Na ja – wir sind gestern Abend gerade mal angekommen. Ich habe den Boiler erst heute Morgen gefunden.«
»Ich wette, Sie sind halb erfroren, in einem so großen alten Haus wie diesem.«
Bridget lacht.
Die Frau dreht sich um. »Ivy! Komm doch mal raus, wir haben hier die neue Haushälterin von Rospetroc!«
Ivy klappt ihr Buch zu und kommt heraus, um sie zu begrüßen.
»Hallo!«, sagt sie. Es ist ein fragendes Hallo, so, als wäre Bridget eine alte Freundin, die urplötzlich an einem Ort aufgetaucht ist, an dem man sie nie vermutet hätte. »Und, wie kommen Sie zurecht? Ivy Walker.«
»Hallo.« Sie schüttelt ihr die Hand, überrascht über die Freundlichkeit. Sie hat in Streatham seit sieben Jahren immer im gleichen Laden eingekauft, und die Besitzer hatten sich bis zum Zeitpunkt ihres Wegzugs gerade einmal
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