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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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Peachment. »Gründliches Nachdenken ist immer gut.«
    Natürlich denkt sie an ein Schlafzimmer. Denkt, wie sie Julia und Terence in ihre Zimmer schicken und dort auf ihre Strafe warten lassen würde. Sie weiß ja nichts von dem Schrank im Zimmer mit dem Himmelbett, von der Dunkelheit, dem bröckelnden Putz, den Spinnen und der verriegelten Tür.
    »Sie können sich mit ihr befassen, wenn Sie sich wieder beruhigt haben«, sagt sie aufmunternd und fügt dann hastig hinzu, um sich zu verziehen, bevor sie da weiter verwickelt wird: »Na ja, ich muss los, Felicity. Ich muss hinunter zur Home Farm. Irgendein Problem mit den Landarbeiterinnen, tut mir leid.«
    »O ja«, antwortet Mrs Blakemore, und Mrs Peachment registriert den bissigen Tonfall. »Die Landarbeiterinnen dürfen Sie natürlich nicht warten lassen.«
    »Nein«, sagt sie. »Also dann, Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen, Mrs Peachment«, erwidert Mrs Blakemore spitz. »Sie finden sicher selbst hinaus.«
    Das ist eine Beleidigung, und sie weiß es nur zu gut. Sie geht nervös aus dem Zimmer. Findet ihren Hut und ihre Handschuhe auf dem Tisch in der Halle und hastet aus dem Haus, ohne den Hut aufzusetzen und in die Handschuhe zu schlüpfen.
    Sie treibt es wirklich auf die Spitze, diese Frau, denkt sie, während sie zu ihrem Fahrrad geht. Ein solcher Snob. Was bin ich froh, dass ich von hier wegkomme.
    Sie muss das Fahrrad den Weg hinauf schieben. Er ist zu ausgefahren, als dass man genügend Tempo aufnehmen könnte, um über den Hügel zu kommen. Die Hitze des Tages in Verbindung mit ihrer Verlegenheit führen dazu, dass sie beim Laufen ein ganz rotes Gesicht bekommt.
    Ich bin fast versucht, denkt sie, etwas zu unternehmen, um sicherzustellen, dass sie dieses Mädchen nicht loswird. Die glaubt wohl, sie könnte jeden herumkommandieren, bloß weil sie eine so feine Dame ist. Und wonach sie schon um diese Tageszeit riecht! Bald wird ihr das Parfüm ausgehen, und dann ist sie nicht mehr in der Lage, ihre Gewohnheiten zu kaschieren, indem sie sich von oben bis unten damit einsprüht.
    Das würde ihr gerade recht geschehen, ehrlich.
    Und dann lächelt sie.
    Warum nicht? Es ist ja nicht so, als ob irgendjemand nach mir suchen würde. Die sind viel zu beschäftigt, als dass sie auf der Suche nach Verwaltungsfehlern bis nach British Columbia reisen würden.
    Und mit einem Mal kommt ihr der Hügel weit weniger steil vor.
    Nachdem sie gegangen ist, spricht eine Minute keiner ein Wort. Lily, die versucht ist, in Richtung Tür zu stürzen, sieht, dass Hugh schon hinübergegangen ist und ihr den Weg blockiert.
    Mrs Blakemore blickt zu Boden, schiebt die zerbrochenen Figurinen mit ihrem eleganten Schuh hin und her. Holt tief Luft und blickt auf.
    »Nun«, sagt sie.
    Lily ist sprungbereit. Fühlt sich wie ein Tier in der Falle. Möchte schreien.
    »Hugh, macht es dir etwas aus?«, fragt Mrs Blakemore. »Ich denke, es ist Zeit für den Schrank, meinst du nicht auch?«
    »Ja, Mummy«, antwortet Hugh. Geht hinüber und packt Lily am Arm.
    Der Schrank. Nein, nein, nein! Ich habe Angst! Wenn ich eingesperrt bin! Nicht! Nicht! Meine Mum schließt mich ein, unter der Treppe … Nein!
    Lily setzt sich zur Wehr. Aber Hugh ist gewachsen, seit er das letzte Mal hier war. Er kommt ihr noch größer vor als vor einem halben Jahr. Jetzt hält er sie an ihren beiden Armen, hebt sie einfach ein Stück vom Boden hoch und trägt sie in Richtung Treppe.
    »Bitte!«, kreischt Lily. »Bitte … nicht! Es tut mir leid! Es tut mir leid!«
    »Was tut dir leid?«
    »Ich war es nicht! Ich hab es nicht getan!«
    »Na ja, was tut dir dann leid?«
    »Ich war es nicht … bitte!«
    »Entscheide dich«, sagt er. »Warst du es nicht, oder tut es dir leid?«
    Lily sackt zwischen seinen Händen zusammen. Sie hofft, dass ihr lebloses Gewicht zu schwer für ihn wird. Hugh, dem das gefällt und der durch das Adrenalin zusätzlich an Kraft gewinnt, kommt an der Treppe an und stößt Lily auf die erste Stufe. Er genießt es, jemanden für sein eigenes Vergehen zu bestrafen.
    Felicity Blakemore dreht sich um und geht durch den Salon auf ihr Arbeitszimmer zu. Dort steht eine Karaffe mit Whisky. Sie findet, dass sie sich nach diesem grässlichen Start in den Nachmittag einen Schluck verdient hat.
    Die beiden warten, bis sie verschwunden ist. Sie wissen, dass der Einsatz erhöht wird, sobald sie allein sind.
    Lily fängt zu fluchen an. »Du Scheißkerl«, sagt sie. »Du verdammter Scheißkerl. Dich kriege ich. Dich

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