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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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kriege ich, du Scheißkerl.«
    Hugh lacht. Macht ihr klar, um wie viel er größer ist als sie. Schiebt die Hand unter ihre Achsel und bohrt die Finger fest in das zarte Fleisch. Zerrt sie die Treppe hinauf, und sobald sie im Korridor sind, krallt er seine Finger in ihre kurzen Haare und macht sich daran, sie, die sich wie ein Fisch am Haken windet, über den Teppich zu schleifen. Jetzt schreit sie. Vor Schmerz und Angst. »Du Scheißscheißscheißscheiß …«
    Sie schafft es, den Kopf zur Seite zu drehen und ihm ins Handgelenk zu beißen.
    »Herrgott!«
    Und jetzt tritt er sie. Schlägt sie am Kopf. Es ist keiner da, der es sieht. Keiner da, der etwas hört. Und er bekommt sie wieder an den Haaren zu fassen und zerrt sie in das Zimmer mit dem Himmelbett. In Daddys Zimmer. Das muss dasjenige sein, denkt er, in dem er gezeugt wurde, obwohl seine Mutter schon vor so langer Zeit in das gegenüberliegende Zimmer im anderen Flügel gezogen ist, dass er sich kaum mehr daran erinnert, wann dies hier das eheliche Schlafzimmer war. Keiner hat hier geschlafen, seit sein Vater fortgegangen ist, um König und Land zu dienen. Obwohl es das schönste Zimmer mit dem besten Bett im ganzen Haus ist.
    Hugh packt Lily an der Taille, wirft sie auf das stabile, große Bett, stürzt sich auf sie und nagelt sie so fest. Genießt das Gefühl, wie sich ihr Körper unter ihm aufbäumt. Bekommt sie an den Handgelenken zu fassen und wartet ab.
    »Bitte«, fleht sie wieder.
    »Bitte was?«
    Er lächelt. Spürt ihren Atem. Sein Lächeln wird noch breiter. Er presst seinen Körper auf ihren. Das hat sich im Laufe der Jahrhunderte in diesem Zimmer, in diesem Bett häufig abgespielt. Es ist ein stabiles Bett, ein großes Bett: ein Bett wie gemacht für Unterwerfung. Vorfahren, die die Bauern mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln unterwarfen. Lily sieht entsetzt aus. Sieht angeekelt aus. Versucht, um sich zu treten.
    »O du … du verdammter …«
    Jetzt, da er sie an den Handgelenken gepackt hat, setzt er ein Siegergrinsen auf. Sie gibt sich geschlagen. Wenn du kämpfst, machst du es nur schlimmer. Hat sie das nicht ihr ganzes Leben lang gelernt? Wenn man kämpft, werden sie nur noch aggressiver.
    Er beugt sich vor, flüstert ihr ins Ohr.
    »Ich kann jederzeit wiederkommen, das weißt du«, sagt er.
    Sie dreht den Kopf zur Seite, merkt, dass sie zum Schrank schaut. Er ist in eine tiefe Nische in die Wand eingebaut, fensterlos und schalldicht. Sie weiß nicht, was schlimmer ist: mit Hugh hier draußen zu bleiben oder die Aussicht auf diese kratzende, knirschende Dunkelheit.
    »Bitte«, sagt sie. »Steck mich da nicht hinein.«
    »Dafür ist es jetzt zu spät«, antwortet er. »Ich muss machen, was Mummy sagt.«
    »Bitte …«, wiederholt sie. »Ich kann nicht …«
    Und er bewegt sich auf ihr. Er ist schwer für sein Alter, trotz der Lebensmittelrationierung. Schwer und stark. Sie nimmt seinen Geruch wahr. Er ist inzwischen purpurrot im Gesicht.
    Plötzlich hören sie, dass die anderen, die aus dem Dorf zurückkommen, unten im Hof sind. Sie lachen unbekümmert. Lily spürt, wie ihr die Verzweiflung in die Glieder fährt. Sie werden nicht nach mir suchen. Werden nicht einmal fragen, wo ich bin. Ich werde da eingesperrt sein, und keinen von denen wird das im Geringsten interessieren. Warum bin ich nur geboren? Warum musste ich auf die Welt kommen, wenn das Leben immer so ist?
    Hugh senkt den Kopf, schnüffelt an ihrem Haaransatz am Ohr.
    Gewinnen ist gut, denkt er. Vor allem hier. In Daddys Schlafzimmer.
    Jetzt bin ich der Mann im Haus, ich bin derjenige, der die Verantwortung trägt.
    »Mach dir nichts draus«, sagt er. »Es wird nicht für lange sein. Nur ein Weilchen. Und sobald du deine Lektion gelernt hast, komme ich und hole dich.«

27
    Michael Terry, ich hasse dich. Dich und deine dürre Schnalle. Es sind nicht nur die fleckigen Leintücher, die auf die Perserteppiche ausgeleerten Aschenbecher oder die Streifen ölhaltiger Schminke auf den Sofakissen – wo vermutlich jemand mit dem Gesicht nach unten geschwitzt hat – oder die zerbrochenen Gläser – mindestens drei, wenn man die Stiele zählt – auf dem Weg im Vorgarten, wo meine Tochter sich ja zum Spielen hätte aufhalten können, oder die große Kerbe im Lack des Türrahmens vom Salon, in dem du und deine Freunde Tausendwattlautsprecher aufgestellt habt, um mich und meine Tochter die ganze Nacht wach zu halten, oder der helle Fleck auf dem Esszimmertisch, wo einer deiner

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