Das Haus der verlorenen Kinder
Freunde ein Glas umgestoßen und keiner sich die Mühe gemacht hat, die Flüssigkeit aufzuwischen, oder die Tatsache, dass du jedes einzelne Utensil beider Küchen benutzt hast – Töpfe, Pfannen, Teller, Schüsseln, Gläser, Becher, Tassen, Platten, Besteck, Sandwichmaker, Dampfkochtöpfe und Tupperdosen –, um dir selbst die schreckliche Mühe zu ersparen, die Spülmaschine zu beladen, und mich das alles machen lässt, sobald ihr abgereist seid. Oder das weiße Pulver – ach, was seid ihr doch für vornehme Leute! –, für das ich jetzt eine Stunde aufgewendet habe, um es aus den Ritzen des Couchtischs zu kratzen, oder die benutzten Kondome, die ich mit Gummihandschuhen aus dem Siphon der Sickergrube fischen musste, oder der tolle große Brandfleck auf der Arbeitsfläche der hinteren Küche, wo du eine Kasserolle abgestellt hast, ohne dir die Mühe zu machen, einen Untersetzer zu benutzen, oder die Spuren in deinem Klo, obwohl direkt daneben ein Bürstenset steht, oder die Art und Weise, wie ihr eure Handtücher, anstatt sie aufzuhängen, zusammengeknüllt und feucht liegen gelassen habt, sodass sich die Keime schön vermehrten, ja nicht einmal die Tatsache, dass du es nicht für nötig gehalten hast, auch nur eine einzige Münze als Trinkgeld dazulassen – keiner von euch –, und das nach dem, wie ihr uns die ganze Woche behandelt habt, mit dieser Arroganz und dem Befehlston und ohne je Bitte oder Danke zu sagen. Du gehörst wahrscheinlich zu jenen Leuten, die den Mindestlohn als Rechtfertigung dafür anführen, dass sie in Restaurants kein Trinkgeld geben.
Nein, es ist nichts davon, so widerwärtig das alles auch sein mag. Es ist die Art und Weise, wie du in deinem Zimmer gewütet hast.
So benimmt man sich nicht. Nicht einmal die Brüder Gal-lagher verhalten sich so. Was ist an diesem Zimmer, dass es seine Bewohner offenbar durchdrehen lässt? Und sie in eine seltsame Mischung aus Mensch und Schwein verwandelt?
Sie haben es wieder buchstäblich auseinandergenommen. Es sieht wieder so aus wie an dem Tag, als ich ankam, der Baldachin des Himmelbetts wieder heruntergezogen, die Gemälde schief, die Bettdecken herausgerissen und in den Wandschrank gestopft, dessen Tür offen steht. Aber es ist noch schlimmer. Ich weiß nicht, was sie sich dabei gedacht haben. Da ist ein Rotweinfleck auf der Matratze. Und was der Sache die Krone aufsetzt, daneben etwas, was wie eine Lache getrockneten Bluts aussieht. Mehr noch. Es sieht so aus, als hätten sie den Inhalt des Beautycases in Jumbogröße ausprobiert, den die schrille Frau Terry bei ihrer Ankunft mit sich trug. Gesichtscreme. Körpermilch. Shampoo. Poison von Calvin Klein. Kakaobutter von Palmer’s. Puder, in einem Tiegel mit einer flauschigen, pinkfarbenen Quaste. Grundierung. Selbstbräuner. Das alles ausgedrückt, ausgeleert, aufgerissen und im Zimmer herumgeschmissen. Da ist Lidschatten in den Teppich getreten. Conditioner – o mein Gott, bitte, lass es Conditioner sein – über die Vorhänge verteilt.
Die Kaution könnt ihr euch wirklich abschminken. Was bringt Leute bloß dazu, so etwas zu machen? Tun sie das auch bei sich zu Hause? Tun sie das wirklich?
Es ist zehn Uhr. Am Abend. Und sie hat es gerade einmal geschafft, all die Teller und Gläser – abgestellt und mit den Speiseresten stehen gelassen, wo immer den Gästen gerade die Lust darauf verging – aus den Zimmern zu räumen und in die Küche zu bringen. Yasmin geht ab morgen in die Schule, und dann wird sie den ganzen Tag allein sein in diesem großen, leeren Haus, und alle Zeit der Welt haben, systematisch vorzugehen, Zimmer für Zimmer blitzsauber zu machen, die Oberflächen zu desinfizieren und das Holz zu ölen. Aber jetzt, wo sie das hier gesehen hat, lässt es ihr keine Ruhe mehr. Eigentlich wollte sie nur die Betten abziehen, aber jetzt, da Yasmin eingeschlafen ist, kniet sie auf der Matratze und betupft die Widerwärtigkeiten der Gäste mit Fleckenmittel, weil viele dieser Flecken behandelt werden müssen, bevor sie sich festsetzen.
Was für ein Mensch muss man sein?
Und das Komische ist, sie kommt sich vor, als würde sie beobachtet. Ertappt sich immer wieder dabei, dass sie nach Luft schnappt und herumfährt, um einen Blick in den offenen Schrank zu werfen. Er wird kommen. Das ist es, was ihr immer wieder durch den Kopf geht. Er wird kommen. Und wenn sie genauer hinsieht, macht sie im Halbdunkel etwas Dunkles aus, aber natürlich ist niemand da.
Habe ich die Tür
Weitere Kostenlose Bücher