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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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ich ins Bett gehe. Die sind so schwer, die werden eine Woche brauchen, bis sie wieder trocken sind. Diese verdammten Terrys. Morgen werde ich Tom Gordhavo anrufen und ihm Bericht erstatten. Er muss es wissen, sonst werde ich für die Schäden selbst aufkommen müssen. Man stelle sich das nur vor. Was kann ihnen nur durch den Kopf gegangen sein, dass sie dachten, es sei irgendwie lustig, ihr Zimmer derart zu verwüsten? Wie lange haben sie sich noch darin aufgehalten, nachdem sie so gewütet hatten?
    Ihr fallen die weggeworfenen, zu Origami-Figuren gefalteten Papierstreifen ein, die sie vom Teppich aufgehoben hat; Seiten aus Porno-Magazinen, so zurechtgeschnitten, dass lauter Lippen und Brüste und Penisse zu sehen waren, wieder und wieder zusammengefaltet; der widerliche kleine Spaß eines Drogendealers. Natürlich weiß ich, was denen zu Kopf gestiegen ist. Dazu braucht man keine wissenschaftliche Koryphäe zu sein.
    Sie fühlt sich richtig erschöpft, als sie die Treppe zur Wohnung hinaufgeht. So, wie sie sich immer in London gefühlt hat, wenn sie den Schlafmangel spürte. Leute wie die Terrys, denkt sie, sind Widerlinge. Ihre dominierende Stellung, die es ihnen ermöglicht, anderen Leuten Schwierigkeiten zu bereiten, macht ihnen genauso viel Freude wie ihr Verhalten selbst. Das habe ich schon zu lange miterlebt. Das macht einen fertig. Ich bin froh, wenn ich heute in mein Bett komme.
    Das Zimmer mit dem Himmelbett stinkt nach verschüttetem Parfum. Hier wird ein Dampfreiniger und ein Liter Febrèze nötig sein, um den Geruch rauszubekommen. Übel. Üble Leute. Gott sei Dank, dass sie fort sind. Gott sei Dank, dass wir endlich wieder allein sind.
    Sie trägt den Frisierhocker zum Fenster hinüber und steigt darauf. Der Bettpfosten ist viel höher als gedacht, sie muss sich richtig strecken, um hinaufzureichen. Sie weiß, dass sie abwarten und morgen die Trittleiter holen sollte, aber vor lauter Müdigkeit wird sie hartnäckig. Sie will, dass die Anwesenheit der Terrys in diesem Haus getilgt wird, und sie möchte es so schnell wie möglich tun. Sie streckt sich, kommt mit dem Zeigefinger unten an den ersten Haken und drückt dagegen. Er springt heraus. Da, denkt sie. Senkt die Hand und schüttelt den Arm aus. Er tut von der Arbeit über Kopf bereits weh. Zum Teufel mit dir, Michael Terry.
    Es dauert fünf Minuten, bis der Vorhang, Haken um Haken, abgehängt ist. Inzwischen schwitzt sie. Die Oberschenkelmuskeln schmerzen und auch ihre Schultern, und in ihren Fußsohlen hat sie vom langen Stehen auf den Zehenspitzen einen Krampf. Von draußen muss es aussehen, als sei ich verrückt, denkt sie; dass ich um elf Uhr abends auf einem Hocker herumbalanciere. Der Gedanke veranlasst sie, einen Blick in den leeren Garten hinunterzuwerfen. Das silberne Mondlicht beginnt zwischen den Wolken hindurch zu brechen, und beleuchtet den taufeuchten Rasen.
    Bridget legt sich den Vorhang über den Unterarm. Da. Es lohnt sich doch. Das Licht ist inzwischen so stark, dass sie die Umrisse der einfarbigen Landschaft unter sich sieht. Licht fällt auf Silberspuren in den Granitmauern des Hauses und lässt sie glitzern. Alles glänzt und wirkt sauber, als wäre es von Regen rein gewaschen.
    Im Ostflügel geht ein Licht an.

28
    Bridget hat das Gefühl, als habe sie ihren Körper verlassen. Sie sieht sich selbst auf dem Hocker schwanken und den Vorhang, wie er ihr vom Arm zu rutschen beginnt. Wie lustig, denkt sie ganz gelassen und beobachtet sich selbst. Meine Ohren sind kalt. Als habe jemand sie mit Eis abgerieben.
    Und dann ein Brausen, und sie ist wieder zurück in ihrem Körper. Und aus der Kälte ist Hitze und dann wieder Kälte geworden, und schließlich ist ihr plötzlich siedend heiß. Sie kann durch das Fenster spüren, wie kalt die Winternacht ist. Schluckt. Blinzelt, um klar zu sehen, hofft, dass das, was sie da sieht, ein Trugbild ist.
    Das Licht ist noch immer an, im Fenster im ersten Obergeschoss, genau in dem Zimmer gegenüber demjenigen, in dem sie steht, im blauen Zimmer. Es schimmert warm und golden – Tom Gordhavo besteht darauf, der Atmosphäre wegen gelb gefärbte Glühbirnen zu nehmen – zwischen den zugezogenen Vorhängen hindurch.
    Ich habe die Türen zugeschlossen. Ich habe abgeschlossen, und trotzdem ist jemand im Haus.
    Die Kraft weicht aus ihren Oberschenkeln, und ihre Knie geben nach. Sie muss sich am Fensterriegel festhalten, um nicht auf den Boden zu fallen. Schwankt wie ein Seemann auf stürmischer See,

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