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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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lehnt sich mit der Schulter gegen die Fensterscheibe.
    Das Licht ist noch immer an.
    Was mache ich nur?
    Sie starrt hinaus und spürt das Kribbeln ihrer Haare auf den Schultern. Jetzt ist ihr wieder kalt.
    Bewegt sich da etwas? Oder bin ich das? Es sieht so aus, als schwinge das Licht von einer Seite zur anderen, als gehe jemand damit auf und ab. Oder vielleicht bin ich das. Vielleicht ist es das Pochen meines Pulses, das meinen Blick verzerrt.
    Das könnte alles Mögliche sein, Bridget. Das könnte eine Zeitschaltuhr sein. Du hast noch nie um diese Uhrzeit aus diesem Fenster geschaut. Vielleicht geht es jeden Abend an, und du hast es nur noch nie bemerkt.
    Nein, aber … ich habe heute in diesem Zimmer gründlich sauber gemacht. Ich hätte es gesehen. Hätte ich es wirklich bemerkt?
    Da ist einer im Haus. Jemand ist mit uns im Haus.
    Was mache ich nur?
    Die Polizei rufen.
    Komm schon. Was ist, wenn es sich lediglich um eine Zeitschaltuhr handelt? Du wirst dir den Ruf zulegen, blinden Alarm zu schlagen, und wenn du sie dann brauchst … wirklich dringend brauchst … geh und schau selber nach. Geh ganz leise und horche, und wenn du irgendetwas hörst, komm zurück, verbarrikadiere die Tür und ruf Hilfe.
    Aber, was ist, wenn er genau das beabsichtigt? Was ist, wenn er auf mich wartet, wenn er das Licht angeschaltet hat, damit es mich da hinüberlockt, von Yasmin weg, wenn er wartet, und wenn ich dann komme …
    Jetzt kann er dich wahrscheinlich sehen. In dem hell erleuchteten Fenster.
    Sie steigt vom Hocker. Kauert sich unter die Fensterbank. Bemüht sich, den Atem anzuhalten.
    Okay. Okay. Überlege.
    Vielleicht sollte ich es einfach ignorieren. Davon ausgehen, dass es nichts ist. Mich in der Wohnung einschließen, ins Bett gehen, und morgen …
    Voll bekleidet.
    Als ob ich schlafen könnte!
    Ich muss rübergehen und nachsehen.
    Wie ein dummes Mädchen im Film. Das allein durch ein dunkles Haus auf das Geräusch im Keller zugeht.
    Was sonst? Soll ich etwa warten, bis er kommt?
    Als sie aus dem hellen Schlafzimmer in den Korridor tritt, ist es, als würde sie in Pech getaucht. Der Drang ist stark, kehrtzumachen und loszurennen. Sie würde gern die Hand ausstrecken und den Schalter anknipsen, neben dem sie, wie sie merkt, steht.
    Ja. Lass ihn wissen, dass du kommst.
    Ich sollte etwas mitnehmen. Eine Waffe. Selbst die dummen Gänse im Film bewaffnen sich, bevor sie in die Dunkelheit gehen. Ein Schürhaken oder so etwas. Das Bügeleisen. Eine Statue oder eine Vase. Etwas Schweres. Alles, was mir einfällt, ist unten. Nichts hier oben.
    Yasmin ist hier. Ganz allein in ihrem Zimmer. Ich sollte sie einschließen. Damit sie sicher ist, falls mir etwas zustoßen sollte.
    Wenn ich sie einschließe, schließe ich mich aus, und dann habe ich keine Chance. Ich muss mich irgendwo in Sicherheit bringen können.
    Wieder blickt sie nach vorn. In die Dunkelheit. Hat Mühe zu schlucken. Ihr Mund ist ganz trocken. Sie kann kein Licht am Ende des Korridors sehen; das Zwischenzimmer mit den zwei Türen in der Mitte des Hauses unterbricht ihn.
    Sechs Zimmer. Sechs leere Räume zwischen mir und dem Licht.
    In Gedanken geht sie durch jedes dieser Zimmer, sieht sich selbst, wie sie sich in der Dunkelheit vorantastet, versucht sich zu erinnern, was sich in jedem befindet, was sie beim Saubermachen verstellt, abgestaubt und nachgeprüft hat. Auf den Nachttischchen. Den Frisiertischen. Den Fensterbänken. In einem Haus wie diesem müsste es doch Tischlampen aus Alabaster, Kerzenhalter aus Messing und Schürhaken geben. Nur, dass Tom Gordhavo alles, was entwendet werden könnte, mitgenommen und den Rest festgenagelt hat. Rospetroc wirkt vornehm, aber das ist ebenso eine Illusion wie bei einem Landhaushotel. Bei der Dekoration wurde an die langfingrige Kundschaft und eine Gesellschaft gedacht, die gerne überall herumkritzelt. Da ist nichts. In diesen großen leeren Räumen.
    Mit Ausnahme …
    Er könnte da sein.
    Dass er die Lampe im blauen Zimmer angeschaltet hat, bedeutet ja noch lange nicht, dass er dort bleiben wollte. Er könnte überall sein. In der Dunkelheit lauern. Mich von hinten überfallen.
    Sie erstarrt. Spürt, dass sich Schweiß auf ihrem Schädel bildet.
    Geh zurück. Geh zurück und schließ dich ein. Ruf um Hilfe. Sie werden es verstehen. Du bist jetzt ganz allein. Lieber einmal zu früh als zu spät, werden sie sagen.
    Ihr fallen die gleichgültigen Blicke der Polizisten von Streatham ein. Als sie Nacht für Nacht zu einem Haus

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