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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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dass das funktioniert. Ich habe es ihr nämlich schon gesagt. Dass du okay bist. Aber sie – sie möchte sich nicht anfreunden. Mit dir.«
    »Na schön«, antwortet Bridget. »Wie auch immer.«
    »Tut mir leid«, sagt Yasmin.
    »Glaub mir«, stellt Bridget fest, »es macht mir nichts aus, wenn ein neunjähriges Mädchen nicht meine Freundin sein will.«
    Allerdings bin ich darüber so erschüttert, dass ich selbst wie eine Neunjährige klinge.
    In einem anderen Zimmer läutet das Handy.
    »Das Handy klingelt«, stellt Yasmin fest.
    »Danke, du Schlaubergerin. Wo ist es?«
    »Das ist dein Telefon«, antwortet Yasmin. »Wie du ja immer hervorhebst.«
    »Du darfst erst nach draußen gehen, wenn du aufgegessen hast.«
    Yasmin zuckt mit den Achseln und verdreht die Augen. So, wie es amerikanische Jugendliche machen. »Klaro.«
    Bridget kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, während sie aus dem Zimmer geht. Das ist das Schwierigste an der Kindererziehung: der Drang loszulachen, wenn Frechheit stil- und fantasievoll daherkommt. Das Telefon steckt in ihrer Handtasche, wie ihr jetzt einfällt. Im Wohnzimmer. Die Klingelmelodie »Chocolate Salty Balls« läuft gerade zum dritten Mal, als sie es, ganz unten, unter dem leeren Kalender und der Ersatzstrumpfhose vergraben, ertastet. Beim Herausziehen drückt sie auf die Annahmetaste und hält sich das Handy ans Ohr.
    »Hallo?«
    »Du bist jetzt so was von dran«, sagt er.
    »Kieran«, antwortet sie. Überlegt, ob sie die Verbindung gleich unterbrechen soll, hält sie aber. Ich muss mir ein neues Handy besorgen, denkt sie. Ob er mich wohl mit Hilfe der Anruflisten ausfindig machen kann?
    »Wenn ich dich finde«, sagt er, »dann bist du so was von dran!«
    »Lass mich in Ruhe, Kieran«, zischt sie.
    »Denk nicht einmal dran«, antwortet er, »mir zu sagen, dass ich mich verpissen soll.«
    »Das hab ich nicht. Ich hab gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst.«
    »Halt die Klappe, verdammt! Halt die Klappe!«
    »Was willst du, Kieran?«
    »Ich möchte dir eine letzte Chance geben. Sag mir, wo meine Tochter ist, sonst finde ich es selbst heraus, und dann …«
    »Genau deshalb sage ich es dir nicht«, fällt sie ihm ins Wort. »Hör auf, mich anzurufen.«
    »Ach, ja? Und wie willst du das ändern?«
    »Ich werde ab jetzt nicht mehr drangehen, wenn ich sehe, dass du das bist. Ich werde nicht mehr abnehmen.
    Wenn du nur anrufst, um uns zu bedrohen, nehme ich nicht mehr ab.«
    Er geht nicht darauf ein.
    »Ich möchte mit meiner Tochter reden.«
    »Aber sie möchte nicht mit dir reden«, entgegnet sie barsch.
    »Es ist nicht deine Sache, das zu bestimmen.«
    »Und ob«, antwortet sie.
    »Verdammt, ich werde … wart’s nur ab, Bridget. Wart’s nur ab. Du kannst dich nicht ewig verstecken.«
    Sie kann der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu ärgern. Die Entfernung vermittelt ihr ein Gefühl von Macht, das sie vor einem Monat noch nicht gehabt hätte.
    »Du klingst verdammt jämmerlich, kleiner Mann. Kleiner Hitler. Weißt du denn nicht, dass deine Drohungen der Grund waren, warum wir überhaupt weggezogen sind? Du bist ein solcher Jammerlappen. Deshalb hast du alles an mir ausgelassen, nicht wahr? Hast deine Familie verprügelt, weil du dich gegenüber Leuten, die so groß sind wie du, nicht durchsetzen konntest.«
    »Leck mich doch, Bridget«, sagt er.
    »Ja«, spottet sie. »Das ist gut. Du hast es ja schon immer mit Worten gehabt, nicht wahr, Kieran?«
    »Ach, leck mich doch!«, wiederholt er. »Das kannst du nicht machen! Du kannst mir meine Tochter nicht vorenthalten!«
    »Sonst machst du was?«, fragt sie triumphierend. »Rufst du dann die Polizei?«
    Schweigen.
    »Für den Fall, dass du es vergessen hast, Kieran Fletcher«, knurrt sie, »eigentlich sollte die Polizei dich von ihr fernhalten. Eine kleine Sache namens Einstweilige Verfügung, ja? Erinnerst du dich?«
    »Du bist eine verlogene Hexe«, stellt er beleidigt fest.
    »Ja, aber das bin ich nicht, oder? Leck mich, Kieran. Nur weil du dich nicht unter Kontrolle hattest, mussten wir wegziehen, und du wirst nicht mehr in unser Leben treten. Nie mehr, hörst du mich? Du kannst dich verpissen, und du kannst mich bedrohen, so viel du willst, aber du wirst sie nie mehr wiedersehen. Kannst mit deinen Fäusten tun und lassen, was du willst, du Scheißkerl!«
    Ihre Stimme ist zu einem Kreischen angeschwollen. Sie hasst ihn, hasst ihn aus tiefstem Herzen. Hasst ihn wegen der jahrelangen Angst, wegen der Platzwunden und

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