Das Haus der verlorenen Kinder
Vätern und Vätern, die schon beinahe jede Hoffnung aufgegeben haben. Ein bestimmter Typ von Frau tut alles, um einen Ehemann, der fremdgegangen ist, zu bestrafen. Dafür hat er jede Menge Beweise.
»Das muss schwer für Sie sein«, sagt er.
Kieran Fletchers Kieferpartie zuckt. »Sie haben keine Ahnung, wie schwer.«
»Also«, er zückt seinen Kugelschreiber und beugt sich vor, bereit, sich Notizen zu machen, »vielleicht sollten Sie lieber von Anfang an erzählen. Name?«
»Bridget.«
»Bridget Fletcher?«
»Ja.«
Er schreibt ihn auf. »Alter?«
»Dreiunddreißig.« Er hält inne, überlegt. »Vielleicht auch vierunddreißig. Ich bin mir nicht sicher.«
Steve wundert sich nicht, dass ein Mann das Alter seiner Frau nicht nennen kann. In diesen Dingen geben sich Frauen manchmal ja ziemlich vage.
»Okay«, sagt er. »Dreiunddreißig. Und wo hat sie gewohnt …?«
Kieran nennt ihm die Streatham-Adresse. Macht eine saure Miene. »Meine Wohnung«, fügt er hinzu. »In der ich gewohnt habe, bis sie es sich anders überlegt hat.«
Hmm, denkt Steve. Nicht gerade eine wasserdichte Geschichte. Noch vor einer Minute hat angeblich er mit ihr Schluss gemacht. Na ja. Man kann keinem Kerl Vorwürfe machen, wenn er seine Würde zu retten versucht, indem er so tut, als sei er derjenige gewesen, der sie rausgeschmissen hat, anstatt zuzugeben, dass er vor die Tür gesetzt wurde.
»Und wo wohnen Sie jetzt?«
»In einem Studio. In Clapham.«
Steve spürt einen Anflug von Mitleid. Ist es nicht immer das Gleiche? Er erinnert sich an das Jahr nach der Trennung, das er damit zubrachte, die Wirbel auf dem Teppich seiner Mietwohnung, das abgeschlagene Laminat und die Küchenschublade anzustarren, deren Frontteil jedes Mal, wenn man sie aufzog, abfiel. Er erinnert sich daran, wie er sich fühlte, wenn er die Kinder bei seinem eigenen Haus abholte, dem Haus, in dem er nicht mehr willkommen war; daran, wie er, während er im Auto wartete, durch die Fenster die Topfpflanzen, die Spiegel und die bequeme Sitzgruppe sah.
Was er vor seinem inneren Auge jedoch nicht sieht, ist Kierans Wirklichkeit mit Stahlrohrstühlen in schwarzem Leder. Es gibt solche und solche Studios, und das von Kieran wurde für eine der eher erfolgreichen präraffaelitischen Bruderschaften erbaut. Der Wohnkomplex galt in den letzten paar Jahren als beste Wohnlage in der City. Und ohne den Mühlstein namens Bridget um den Hals hat er sich inzwischen wieder berappelt.
»Schuldet sie Ihnen Geld?«
»Klar«, antwortet er verbittert, »ich habe jedenfalls nie etwas von den Hypothekenzahlungen zurückerhalten.«
»Und die Wohnung?«
»Sie hat den Schlüssel der Wohnungsgesellschaft zurückgegeben. Ohne es mit mir zu besprechen. Hat es einfach gemacht.«
»Verstehe.«
»Wirklich?«, fragt Kieran.
»Ja«, antwortet Steve. »Vielleicht können Sie das gerichtlich einklagen.«
»Das bezweifle ich. Die Sachen sind auf ihren Namen gelaufen.«
»Ach.«
»Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist«, sagt er. »Ich meine, ich war nicht perfekt, aber wer ist das schon? All die Lügen, die sie über mich verbreitet hat. Es ist … als würde sie mich bestrafen wollen. Sie ist … wissen Sie, da glaubt man, man würde jemanden kennen, und dann …«
»Ja«, pflichtet ihm Steve bei. »Viele Leute stehen geradezu unter Schock, wenn ihre Ehe zerbricht.«
»Aber wissen Sie«, er drückt die Zigarette aus und fängt wieder an, mit dem Feuerzeug herumzuspielen, »das wäre mir egal, aber wir haben ein Kind, verstehen Sie? Es geht schließlich nicht nur um sie und um mich.«
»Nein. Das verstehe ich. Wir werden tun, was wir können. Vielleicht …« Die Uhr an der Wand tickt unaufhörlich weiter. Er muss das hier beschleunigen; mit kostenlosen ersten Beratungen lässt sich die Miete nicht finanzieren. »Es wäre gut, wenn Sie mir sämtliche Details geben könnten, die Ihnen einfallen. Also, der Name lautet Bridget Fletcher.«
»Ja. Vielleicht auch Barton. Möglicherweise hat sie ihren Mädchennamen wieder angenommen, vermute ich.«
»Das machen viele Frauen. Und Ihre Tochter?«
»Yasmin. Sie ist sechs. In ein paar Monaten sieben. Und ich werde – so, wie es jetzt steht, werde ich ihr nicht einmal eine Geburtstagskarte schicken können …«
Seine Stimme versagt, und er starrt auf seine Schuhe hinab. Ballt die Hände zu Fäusten. Schluckt.
Steve schießt der Gedanke durch den Kopf: Er ist nicht so bestürzt, wie er mich gern glauben machen will. Der tut nur so.
Das
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