Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
Vom Netzwerk:
scheinen, ich wüsste über meine Arbeitgeber bestens Bescheid. Es ist, als handele es sich um den Klatsch über Prominente, der heute Morgen im Mirror veröffentlicht wurde. »Nein«, antwortet sie. »Ich weiß gar nicht so viel darüber. Ich habe von Mrs Gordhavos Bruder gehört, aber um ehrlich zu sein, alles andere ist mir ein Rätsel. Ich musste für die Feriengäste irgendwelche Geschichten erfinden. Von Rittern, von Anhängern König Karls I. und Rundköpfen, von Zinnminen und der Werkzeugfabrik Trelawny und so weiter.«
    Mrs Parsons lacht. »Gut gemacht! Gar nicht schlecht! Und weit weniger abschreckend, als ein Erhängter auf einem Heuboden, muss ich sagen.«
    »Ja, das dachte ich mir.«
    »Steht das Bootshaus denn noch?«
    »Ja«, antwortet Bridget. »Allerdings war ich nur ein Mal dort unten, als ich nachgeschaut habe, ob die Zäune auch stabil genug sind, um Yasmin fernzuhalten. Es sieht ziemlich verfallen aus.«
    »Ja, muss wohl so sein. Es ist nicht mehr genutzt worden, seit – weiß der Himmel, seit wann. Wahrscheinlich schon eine ganze Weile vor dem Krieg nicht mehr. Ich glaube nicht, dass sie viel Verwendung dafür hatten, als das Haus als Schule diente. Ihnen saßen schon damals das Gesundheitsund das Ordnungsamt im Nacken, oder wie die Behörden in den 1930ern hießen.«
    »Es war einmal eine Schule?«
    »Haben Sie das nicht gewusst? Ja. Mrs Blakemores Mutter hat versucht, das Anwesen zu halten, nachdem ihr Mann im Krieg gefallen war. Paddy Blakemore – Toms Großvater – war der Grundstücksverwalter, er hat die Farmen verpachtet und das Land, das sie nicht für die Schule nutzten. So hat sie ihn kennengelernt.«
    »Woher wissen Sie das alles?«
    »Von meinen Eltern. Wir hier, wir ziehen ja meist nicht weit von dem Ort weg, an dem wir aufgewachsen sind. Das Problem ist, dass man, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht, am meisten bedauert, dass man ihnen nicht richtig zugehört hat, als sie noch am Leben waren. Jedenfalls bestand die Schule nach dem Tod der Schwiegermutter nicht mehr lange. Ich glaube, beide Blakemores waren der Meinung, dass die Führung einer Schule ein wenig unter ihrer Würde sei, obwohl sich das Anwesen nur aus diesem Grund noch in Familienbesitz befand. Sie war sehr auf die Klassenzugehörigkeit bedacht, daran erinnere ich mich. Hat fast Anfälle bekommen, als ihr im Krieg ein paar Flüchtlinge aufgehalst wurden. Sie war halb krank vor Sorge, dass die ihre Kinder auf ihr Niveau herunterziehen könnten. Das ganze Dorf hat sich darüber lustig gemacht. Der hiesigen Verantwortlichen hat es ein diebisches Vergnügen bereitet, gerade diejenigen herauszupicken, die sie am meisten in Rage bringen würden, und dann sicherzustellen, dass sie diese Kinder nicht mehr loswurde. Kinder, die Läuse in die Schule eingeschleppt und geflucht haben. Ich bin mir sicher, da gab es etwas mit einer von ihnen … ach, ich wünschte mir, ich hätte richtig zugehört. Ich kann mich einfach nicht mehr erinnern. Irgendetwas Geheimnisvolles muss es gewesen sein. Irgendwas Hässliches mit einem Holzschuppen oder so. Aber bedenken Sie, das waren damals alles nur Andeutungen und Gerüchte. Wie es in einem typisch kornischen Dorf eben so ist. Die Leute waren, als ich ein Kind war, noch weit weniger mitteilsam. Sie haben nur ›Pst‹ gemacht und alle möglichen Sachen lediglich mit einem wissenden Blick stillschweigend durchgehen lassen. Es würde mich nicht wundern, wenn das eine Folge der Schmugglerzeit gewesen ist.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagt Bridget. Aber es ist gutes Material. Gut einzusetzen. Sie ist sich sicher, dass eine solche Geschichte die Aykroyds zumindest amüsiert hätte.
    »Nein, tut es nicht. Sie haben recht. Es ist nur lustig, und es ist eine Schande, dass all diese Vorkommnisse der Lokalgeschichte dem Vergessen anheimfallen, bloß weil man früher nicht richtig aufgepasst hat. Eine von denen ist jedenfalls wegen irgendetwas von der Schule geflogen, aber ich erinnere mich nicht mehr, worum es ging. An Mrs Blakemore erinnere ich mich noch sehr gut. Die ist zu der Zeit, als das Mädchen der Schule verwiesen wurde, völlig durchgedreht.
    Ist mit einem Hut auf dem Kopf, an dem Kirschen befestigt waren, aber barfuß durchs Dorf gewandert und hat sich ständig umgeblickt, als glaube sie, irgendjemand sei hinter ihr her.«
    »Wie seltsam!«
    »Ich weiß. Ich glaube, es hatte zumindest etwas zu tun mit …« Sie führt die Hand vors Gesicht und macht die universelle Trinkgeste.

Weitere Kostenlose Bücher