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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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ich ziehe so schnell wie möglich von Streatham fort, sobald ich wieder so etwas wie ein geregeltes Einkommen habe. Ich weiß nicht, warum ich nicht früher darauf gekommen bin, aber ich muss ja nicht in London wohnen, um zum Flughafen zu gelangen. Genau genommen ist es absolut hirnrissig. Ich habe mit Maklern aus der Gegend von Crawley gesprochen, dort sind die Wohnungen nur halb so teuer wie in London, selbst da, wo wir wohnen. Und ohne Drogendealer an der Ecke und Nachbarn, die einen einfach ignorieren. Diese Typen da in unserem Haus, die rühren doch keinen Finger und würden wahrscheinlich nicht einmal beim Knall von Schüssen reagieren, wenn das nicht den Wert ihres Eigentums mindern würde.«
    »Ist inzwischen jemand in meine alte Wohnung eingezogen?«
    Carol schüttelt den Kopf. »Draußen hängt jetzt eine Auktionsankündigung. Die wird im April stattfinden.«
    Als sie das hört, fühlt Bridget sich eigenartig berührt, ist sich aber nicht sicher, wieso eigentlich. Sie möchte die Wohnung nie wiedersehen, aber sie war Schauplatz so großer Hoffnungen und von so viel Angst, dass sie weiß, sie wird sie niemals vergessen.
    »Ich sag dir was«, fährt Carol fort, »du hast mich irgendwie inspiriert. Es hat sich herausgestellt, dass London für mich nicht alles ist.«
    »Nein, das ist es nicht«, pflichtet ihr Bridget bei. »Ich glaube nicht, dass ich je zurückmöchte.«
    »Sachte, sachte!«
    »Nein, will ich nicht. Ich brauche mir sie bloß …«
    Yasmin schwankt auf der Mauer, und Bridget ist schon im Begriff loszurennen. Entspannt sich jedoch wieder, als sie sie auf die gepflasterte Seite herunterspringen und auf ein Klettergerüst zulaufen sieht. Sie nickt in ihre Richtung, »… anzuschauen. Ich meine. Brockwell Park oder Felsenbuchten? Schießereien auf offener Straße oder surfen lernen? Die Grundschule Winnie Mandela oder die Schule von Meneglos? Da braucht man doch gar nicht lange zu überlegen.«
    »Und kein Kieran«, fügt Carol hinzu.
    »Und kein Kieran. Carol, er hat dich doch nicht belästigt, oder?«
    »Ich hab’s dir schon gesagt. Mach dir darum keine Sorgen. Das wird er nicht wagen.«
    Ich weiß nicht, denkt Bridget. Ich weiß nicht. Nicht, solange er sich ganz auf mich konzentrieren konnte, aber jetzt haben wir uns seiner Meinung nach in einen Hexenzirkel verwandelt, der sich gegen ihn verschworen hat, und sie ist die Einzige, an die er rankommt.
    »Du bist aber vorsichtig, nicht wahr? Er ist nicht – er ist kein ausgeglichener Mensch.«
    »Hör auf«, sagt Carol. »Ich kenne ihn.«
    »Ich meine ja bloß – du bist da hineingezogen worden, und ich will nicht …«
    »Also«, fragt Carol in ihrem typischen Lass-uns-dasThema-wechseln-Tonfall, »hast du hier schon richtig Spaß gehabt? Freunde gefunden?«
    »Mmm. Ja, ich denke schon. In etwa. Da ist eine junge Frau im Dorf mit einem Mädchen in Yasmins Alter. Tina. Ich mag sie. Die ist immer gut drauf. Und auch ihr Bruder ist nett.« Sie schaut zu ihr hinüber und hofft, dass sie auf den Hinweis auf einen Mann nicht gleich anspringt. Ich suche nicht nach einem Mann. Ich will jetzt nichts weiter als ein neues Leben. Sie beeilt sich hinzuzufügen: »Und die Leute hier – ja, die sind wirklich nett. Freundlich. Zurückhaltend, aber freundlich. Ich denke, sie wollen sicher sein, dass ich auch bleibe, bevor sie sich zu sehr einbringen. Aber sie sind überhaupt nicht distanziert.«
    »Und, was machst du? Gehst du ins Pub?«
    »Es gibt hier eins. Aber es ist nicht kinderfreundlicher als das Bricklayers in Streatham. Und außerdem bräuchte ich einen Babysitter.«
    »Du gehst also nicht aus?«
    »Ich bin nicht du, Carol. Du bist gut in solchen Sachen. Du schließt im Handumdrehen neue Freundschaften. Bei mir, dauert das etwas länger. Es geht mir gut. Im Dorf findet immer mal wieder eine Veranstaltung statt, und da gehen wir hin, und wir werden die Leute nach und nach kennenlernen. Die Pfadfinder nehmen inzwischen auch Mädchen auf, und ich werde sie da demnächst anmelden. Das ist gut.«
    »Klingt in meinen Ohren ein bisschen einsam«, stellt Carol fest. Und lacht. »Sagt die traurige alte Jungfer.«
    »Na ja, das ist es nicht«, lügt Bridget. »Es ist gut. Ich brauche nicht ständig andere Leute um mich herum. Und du wirst nie eine traurige alte Jungfer sein.«

35
    »Tee? Kaffee?«
    »Hmm … Ich nehme Kaffee. Danke.«
    Sie steht verlegen mit den Händen in den Taschen da, während eine grauhaarige Fremde Instantkaffeepulver in einen

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