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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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»Natürlich waren wir als Kinder grässlich, so wie Kinder eben sind, und haben scheußliche Sachen gemacht, wie die, dass wir auf sie zugesprungen sind, sodass sie vor Schreck aufgeschrien hat. Kein Wunder, dass die sich am Ende dort eingeschlossen haben und nicht mehr herausgekommen sind, es sei denn, um die Lebensmittellieferung an der Eingangstür abzuholen. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sie schon eine ganze Weile nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, bevor es wirklich offensichtlich wurde. Auf jeden Fall hat sich Paddy Blakemore irgendwann im Krieg verpisst – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. Sie haben natürlich so getan, als sei er im Kampf gefallen, aber selbst hier an einem so abgelegenen Ort, bekommt man gelegentlich Gerüchte mit, was sich in London so abspielt. Aber im Allgemeinen haben Männer so etwas nicht gemacht, vor allem nicht mit dieser Art von Herkunft, es sei denn, sie hatten einen wirklich triftigen Grund.«
    »Nein«, wirft Bridget ein.
    »Ich glaube nicht, dass die Familie danach noch wirklich glücklich war. Ich glaube, es ging um die Schande. Damals wurde den Frauen, deren Männer sich aus dem Staub gemacht hatten, die Schuld zugeschoben. Jedenfalls hat sie im Winter 1943 das Haus praktisch zugesperrt, und das war’s dann. Sie hat sich ganz auf Hugh verlassen: Hat ihn quasi zum Mann im Haus erklärt, als er noch in Eton war. Dann hat sie ihn aus der Schule genommen und um nichts in der Welt jemanden in seine Nähe kommen lassen. Der arme Kerl hatte nicht die geringste Chance, eine Frau zu finden. Sie hat ihn nicht aus dem Haus gelassen. Allerdings hätte er sich ohnehin etwas weiter entfernt nach einer Frau umschauen müssen. Mum sagte immer, er sei widerlich, und alle Mädchen im Dorf hätten schon lange, bevor er sich umgebracht hat, einen großen Bogen um ihn gemacht. Ich denke, Toms Mutter hatte wahrlich Glück, dem Ganzen zu entkommen. Sie hat Jack Gordhavo geheiratet, kaum dass sie einundzwanzig geworden war. Eindeutig eine jener Hochzeiten, die eine Flucht aus dem Elternhaus darstellten, aber ich glaube, sie waren trotzdem recht glücklich miteinander. Sie kam jedoch nie zurück, solange ihre Familie noch am Leben war, und man kann verstehen, dass dieses Anwesen hier sie nach dem Tod ihrer Verwandten nicht sonderlich gereizt hat, zumal sie ein sehr schönes Haus hatten.«
    »Ja, unbedingt.«
    »Man hatte immer den Eindruck, es gibt da irgendeine Art von – von Geheimnis. Etwas, was sie zu kaschieren versuchten. Ich kann mir den Gedanken nicht verkneifen, dass es mit Hugh zu tun hatte. Aber Tom Gordhavo hat immer irgendwie – schuldig? – gewirkt, wenn das Thema Rospetroc zur Sprache kam. Als gäbe es da etwas, was sie niemandem erzählen wollten.«
    »Sie wissen ja, wie die Adligen sind«, scherzt Bridget. »Haben panische Angst, jemand könnte herausfinden, woher ihr Vermögen tatsächlich stammt.«
    »Allerdings. Aber es erstaunt mich trotzdem, dass er es nicht verkauft hat. Es ist ja nicht so, als ob damit sentimentale Erinnerungen verbunden wären.«
    »Nein«, antwortet Bridget. »Ich vermute … ein Haus mit so viel Geschichte loszuwerden … könnte ganz schön schwierig sein, nicht wahr?«
    »Da haben Sie ganz recht. Wie auch immer. Vielleicht sollte es einfach so sein. Vielleicht nur, damit Sie und Ihre nette kleine Tochter kommen und das Schicksal des Hauses positiv verändern.«
    Bridget ertappt sich dabei, dass sie lächelt, und sie zuckt mit den Achseln. »Na ja, vielleicht verändert es auch unser Schicksal«, sagt sie. »Ich habe jedenfalls den Eindruck.«
    Sally schaut sie mit neugierigen, strahlenden Knopfaugen an. »Tatsächlich? Ich bin froh, das zu hören. Es kann für Sie nicht leicht gewesen sein, ein Kind ganz allein aufzuziehen.«
    Darauf gehst du nicht ein, denkt sie. Ich werde nicht anfangen, denen irgendetwas von meinen Notlagen zu beichten, die weit über ihre wildesten Träume hinausreichen, damit sie dann etwas im Dorf zu erzählen haben. »Na ja«, sagt sie verächtlich. »Ich bin ja nicht die erste Frau, der so was passiert ist.«
    »Da haben Sie recht. Und ich glaube, Sie werden auch nicht die Letzte sein. Sagen Sie, hat er die Stromleitungen schon reparieren lassen?«
    »Ach, haben Sie davon gehört?«
    »Frances hat die ganze Zeit davon geredet.«
    »Ach, tatsächlich? Ich dachte, das wäre bloß ich. Ich denke, dann sollte ich lieber mal mit ihm darüber reden.«
    »Ja«, antwortet Sally. »Lassen Sie nicht zu, dass sein

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