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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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Karriere.
    Alexandre Dumas, der Autor der »Drei Musketiere«, wäre von Szathmarys kulinarischer Bibliothek sicher begeistert gewesen und hätte die Kenntnisse des ungarischen Kochs angemessen gewürdigt. Denn er war ein Feinschmecker, der seine Liebe zum Essen mit seiner |53| Liebe zur Poesie verglich und beide Neigungen als Gaben des Himmels bezeichnete. Die Soupers, die zu den Premieren seiner erfolgreichen Theaterstücke ausgerichtet wurden, trugen zu seinem Ruhm nicht unwesentlich bei, so dass es naheliegend scheint, sein »Wör terbuch der Kochkünste« als eigentlichen Höhepunkt seines vier- oder fünfhundert Bände umfassenden Gesamtwerks zu betrachten. Dieses Wörterbuch wurde 1869 von dem Pariser Verleger Alphonse Lemerre in Auftrag gegeben und beschäftigte Dumas in den letzten Monaten seines Lebens. Er zog sich mit seiner langjährigen Köchin in die Bretagne zurück, um es in Ruhe zu schreiben. Sein verwegener Plan war, die unzähligen Rezepte aufzuzeichnen, die er in der Welt gesammelt hatte, die geistreichsten Anekdoten über die Küchen der Völker zu erzählen und alles Wissenswerte über alle essbaren Pflanzen und Tiere zu Papier zu bringen: »So wird mein Buch durch das Wissen und den Geist, die es enthält, die Fachleute nicht allzu sehr erschrecken und es vielleicht verdienen, von ernsthaften Männern gelesen zu werden, ja sogar von anmutigen Frauen, die keine Angst davor haben, ihre Finger beim Umblättern dieser Seiten zu ermüden.«
    Als der unersättliche Dumas in Deutschland Spezialitäten wie »Hase mit Konfitüre« und »Wildschwein schinken mit Kirschen« serviert bekam, sah er sich genötigt, seinem Abscheu Ausdruck zu verleihen. Der Kellner zeigte sich verwundert über die Abneigung des weitgereisten Gourmets, da dieser doch ein großer Dichter sei und Goethe Schwein mit Kirschen ganz außerordentlich |54| geschätzt habe. »Nun, mein lieber Freund«, antwortete der Franzose, »ich schreibe Verse zum Privatverzehr, das ist richtig, aber das ist kein Grund, mich als einen großen Dichter zu bezeichnen und mir den Magen mit eurem Fraß zu verderben.«
    Dumas starb an einem Schlaganfall, bevor er sein Wörterbuch vollenden konnte. Dennoch erschienen zwei Jahre nach seinem Tod zwei unterschiedliche Ausgaben unter den Titeln »Le grand dictionnaire de cuisine« und »Le petit dictionnaire de cuisine«. Es ist nicht sicher, wie viele der darin enthaltenen Anekdoten, Rezepte und Abhandlungen zu Themen wie »Appetit«, »Diner«, »Madeleine« und »Zwiebel« tatsächlich aus seiner Feder stammen. Man vermutet, dass der mit dem Autor befreundete Koch Denis-Joseph Vuillemont das Buch großzügig bearbeitet hat. Einem anderen Gerücht zufolge soll der junge Anatole France das Wörterbuch der Kochkünste mit Hilfe der fragmentarischen Aufzeichnungen von Alexandre Dumas fertiggestellt haben.
    Für einen Koch mag es durchaus naheliegend sein, Kochbücher aufzuhäufen. Die eifrigste Sammlerin von Kinderbüchern, Ruth Baldwin, hatte hingegen keine Kinder, konnte nicht einmal Neffen und Nichten vorweisen und wollte mit diesen kleinen, schmutzigen und ungezogenen Ungeheuern auch nichts zu tun haben. Sie wuchs als eine von drei Töchtern des Literaturwissenschaftlers Thomas Baldwin in South Carolina und Illinois der 1920er und 1930er Jahre auf. Der strenge Vater verbot den Mädchen, Tanzveranstaltungen zu besuchen |55| oder nach Einbruch der Dunkelheit das Haus zu verlassen, und wenn ein Verehrer es einmal wagte, schüchtern um ein harmloses Rendezvous zu bitten, wurde er nicht gerade ermutigt. Obwohl Ruth ihr Studium der Bibliothekswissenschaften fernab von der bedrückenden Atmosphäre ihres Elternhauses absolvierte, konnte oder wollte sie sich den Ansprüchen ihres Vaters nie entziehen. Vielleicht versuchte sie sogar, seine Erwartungen zu übertreffen. Sie blieb unverheiratet, erwarb mehrere akademische Titel und arbeitete schließlich als Professorin an verschiedenen amerikanischen Universitäten. 1953 schickte Thomas Baldwin, der als Experte für die Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts galt und für Bücher aus dieser Zeit eine bibliophile Leidenschaft hegte, seiner Tochter ein Paket mit zwanzig englischen »Chapbooks« – alten, auf billigem Papier gedruckten Jugendbüchern aus dem 19. Jahrhundert. Er legte einen Brief bei mit der gegenüber einer ledigen Frau von 35 Jahren etwas abschätzig klingenden Empfehlung, Kinderbücher zu sammeln sei doch ein hübsches Hobby für eine Dame.
    Ruth

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