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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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kühl.
    Der Wortwechsel war kurz. Innerhalb weniger Augenblicke erhielt Coralina die Bestätigung dessen, was sie befürchtet hatte. Die Männer hatten den Auftrag, niemanden in die Kirche zu lassen, nicht einmal die Entdeckerin des aufsehenerregenden Fundes.
    Einige der Umstehenden hatten gehört, wer sie war, und bestürmten sie sogleich mit Fragen. Jupiter tat sein Bestes, sie vor allzu aufdringlichen Dränglern zu schützen, während Coralina weiterhin auf den Wachmann einredete. Der aber trat einfach zwei Schritte zur Seite und beachtete sie nicht weiter.
    Wutentbrannt überließ sie Jupiter dem Ansturm der Wißbegierigen, drängte sich grob durch die Menge und blieb erst in sicherer Entfernung stehen. Jupiter folgte ihr übellaunig.
    »Laß mich nicht einfach stehen wie einen dummen Schuljungen!«
    Als sie zu ihm herumwirbelte, hatte sie Tränen der Wut in den Augen. »Ich habe sie entdeckt! Es ist mein verdammtes Recht, mich weiter in der Kirche umzuschauen.«
    Er senkte seine Stimme. »Vielleicht wäre es wirklich besser, sich eine Weile lang nicht mehr hier sehen zu lassen. Je auffälliger du dich benimmst, desto mißtrauischer werden sie.«
    »Warum sollten sie?« flüsterte sie erregt. »Sie haben die sechzehn Kupferplatten. Sie vermissen die siebzehnte nicht.«
    »Wie viele Nischen waren in der Kammerwand?«
    »Mehr als zwanzig.« Sie schnaubte streitlustig. »Glaubst du wirklich, daran hätte ich nicht gedacht?«
    Er spürte, daß sie drauf und dran war, ihren Zorn an ihm auszulassen. »Tut mir leid«, sagte er, um Schlichtung bemüht. »Denk nicht, daß ich dich unterschätze. Ich will nur auf Nummer Sicher gehen.«
    Sie nickte, aber er sah ihr an, daß ihre Gedanken bereits ganz woanders waren. Ihr Blick richtete sich auf die schwarze Limousine.
    »Das Nummernschild«, murmelte sie.
    »Was ist damit?«
    »Der Wagen gehört zum Vatikan.«
    »Und? Sie werden jemanden hergeschickt haben.« Ihm fiel auf, daß noch immer der Fuß des Chauffeurs aus der Tür schaute. Er wippte leicht auf dem Pflaster, so als warte sein Besitzer ungeduldig auf jemanden. Erst als Jupiter genauer hinsah, entdeckte er, daß der Fuß nicht aus Nervosität wippte. Er zertrat etwas … eine Ameisenstraße, die aus Spalten im Pflaster an dem Wagen vorüberführte.
    Der Mann selbst war hinter den dunklen Scheiben nicht auszumachen, nicht einmal sein Umriß.
    »Das ist nicht Kardinal von Thadens Wagen«, sagte Coralina, ohne das Fahrzeug aus den Augen zu lassen.
    »Von Thaden?« fragte er ungeduldig. »Wer ist das?«
    »Leonhard von Thaden. Schweizer Erzbischof. Der Leiter der Glaubenskongregation.« Sie fixierte Jupiters Blick, und da bemerkte er erstmals, daß sie sich ernsthaft Sorgen machte. Allmählich begann er zu begreifen, weshalb.
    »Der Kleiderschrank hinter der Absperrung hat mir gesagt, von Thaden überwache die weiteren Arbeiten in der Kirche«, fuhr sie fort.
    »Was hat die Glaubenskongregation mit deinem Fund zu tun?«
    »Genau das frage ich mich auch.« Sie trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Ziemlich seltsam, oder?«
    Jupiter musterte den Wagen und hatte das beunruhigende Gefühl, daß sie aus dem Inneren beobachtet wurden. »Und du meinst, das ist nicht sein Wagen?«
    »Ich kenne den Fuhrpark der Kardinäle. Jeder, der etwas mit dem Vatikan zu tun hat, kennt ihn. Und deshalb bin ich sicher, daß dies nicht von Thadens Wagen ist.«
    Er zuckte irritiert mit den Schultern. »Was soll’s?«
    Coralina wollte auf die Limousine zugehen, doch Jupiter hielt sie zurück. »Nicht, warte! Du hast dich da vorne am Portal schon auffällig genug benommen. Laß uns einfach von hier verschwinden.«
    Sie sah ihn einen Moment lang verwundert an, so als hätte er eine vollkommen abwegige Bemerkung gemacht, doch dann nickte sie zögernd. Sie wollte etwas sagen, als ihr Blick über seine Schulter hinweg zur Kirche fiel.
    »Zu spät«, flüsterte sie.
    Jupiter drehte sich um und sah, daß ein Mann durch die Versammlung am Eingang auf sie zukam. Er mochte Anfang Dreißig sein und hatte hellblondes Haar, beinahe weiß. Auch seine Haut war auffallend pigmentlos.
    »Wer ist das?« brummte Jupiter.
    »Landini. Von Thadens engster Vertrauter.«
    »Ist er dafür nicht ein wenig jung?«
    Coralina gab keine Antwort, denn Landini war jetzt nahe genug, um ihre Worte mitanzuhören. Ein jungenhaftes Lächeln huschte über seine Züge, als er auf sie zutrat. Er streifte Jupiter nur mit einem beiläufigen Blick und konzentrierte sich dann

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