Das Haus des Daedalus
mich.«
»Dazu muß ich ihn erst finden.«
»Das liegt auf der Hand, nicht wahr?«
Jupiter kramte in seiner Manteltasche und zog eine von Coralinas Visitenkarten hervor. »Wenn Sie ihn treffen, würden Sie mich dann anrufen?«
»Ich habe keine Münzen für eine Telefonzelle«, sagte Santino und steckte die Karte ein, ohne einen Blick darauf zu werfen.
Ein wenig verwundert darüber, daß ein Mönch versuchte, auf diese Weise an Geld zu kommen, drückte Jupiter ihm einen Hunderttausend-Lire-Schein und ein wenig Kleingeld in die Hand. »Wird das reichen?«
Santino nickte mit großer Ernsthaftigkeit. »Danke.« Er schien zu überlegen, ob er noch etwas hinzufügen solle, als plötzlich ein scharfer Ruck durch seinen Körper fuhr.
»Hören Sie!« flüsterte er.
Jupiter runzelte die Stirn. »Der Stier?«
»Stimmen.« Der Anschein von Ruhe, der sich in den letzten zwei, drei Minuten über Santinos Züge gelegt hatte, fiel von ihm ab wie eine Maske.
Dann, von einer Sekunde zur nächsten, war er an Jupiter vorbei und stürzte mit seiner Reisetasche die Stufen zum Dach hinauf.
»Santino!« rief Jupiter ihm hinterher, verzichtete aber darauf, ihm zu folgen. Er konnte nur hoffen, daß der Mönch sich tatsächlich bei ihm melden würde.
Santino wuchtete die Reisetasche durch die Luke und kletterte ins Freie. Gleich darauf war er verschwunden.
Jupiter lauschte. Der Mönch hatte recht. Vom Hof her drangen Stimmen herauf.
Er eilte zu einem verbarrikadierten Fenster in einem der vorderen Zimmer und blickte durch einen Spalt hinaus. Es war noch dunstiger geworden, vielleicht Smog, vielleicht erste Anzeichen für einen Regenschauer. Graues Zwielicht lag über der Stadt. Der Hof war in schummriges Dunkel getaucht.
Drei Gestalten in schwarzen Overalls huschten über das Karree zum Eingang herüber und verschwanden aus Jupiters Blickfeld. Wenig später hörte er ihre scharrenden Schritte im Inneren des Hauses.
Die drei hatten etwas getragen. Klobige, kantige Gegenstände. Jupiter huschte wieder hinaus auf den Korridor und lehnte sich vorsichtig über das Treppengeländer. Aufmerksam horchte er in die Tiefe. Die Männer waren verstummt, auch wenn er sie immer noch hantieren hörte, jetzt begleitet von einem leisen Plätschern.
Gleich darauf drang ein scharfer Geruch an seine Nase, heraufgetragen vom Luftstrom in den alten Räumen und Gängen.
Benzin! Die Männer hatten Benzinkanister dabei!
Wenige Augenblicke später eilten drei schwarze Gestalten die Stufen herauf. Zwei flüsterten miteinander, aber Jupiter verstand nicht, was sie sagten. Beim ersten Auftauchen der drei hatte er sich vom Geländer gelöst und war zurückgetreten, damit sie ihn nicht entdeckten.
Seine Gedanken überschlugen sich. Die Männer steckten das Haus in Brand. Kamen sie auf Befehl des mysteriösen Professors? Warum aber sollte eine hochgestellte Persönlichkeit des Vatikans eine Besitzung des Kirchenstaates niederbrennen?
Ihm blieb keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn an den Schritten der Männer hörte er, daß sie sich aufteilten. Mindestens einer von ihnen kam herauf in den zweiten Stock.
Jupiter zögerte nicht. Auch auf die Gefahr hin, daß man ihn hörte, sprang er die Stufen zur Dachluke hinauf und verließ das Haus auf dem gleichen Weg wie Santino.
Das Flachdach war mit schwarzer Teerpappe belegt, gesprenkelt mit einem häßlichen Muster aus Taubenkot und schimmernden Pilzkissen. Der Mönch war verschwunden.
Jupiter verharrte einen Moment am Rand der Luke und horchte auf die Stimmen der Männer. Hatten sie ihn bemerkt?
Nein, niemand folgte ihm. Keine gebrüllten Warnungen oder Kommandos, keine Schritte auf den oberen Stufen.
Er rannte ziellos über das Dach, suchte nach einer Möglichkeit, zu entkommen. Zu seiner Rechten endete die Fläche an der Mauer eines Nachbarhauses; es war ein Stockwerk höher und hatte auf dieser Seite keine Fenster. Vor und hinter Jupiter klafften die Abgründe der beiden Höfe. Somit blieb für seine Flucht nur eine einzige Richtung … nach links. Santino mußte denselben Weg genommen haben.
Das Haus zur Linken war eine Etage niedriger als der Palazzo. Das Ziegeldach war leicht angeschrägt, mit einem ummauerten Dachgarten in der Mitte. Der Höhenunterschied zu Jupiters Standort betrug etwa drei Meter, tief genug, um sich beide Beine zu brechen. Trotzdem … immer noch besser, als zusammen mit Cristoforos Wandgemälden zu verbrennen.
Jupiter stieg über die Balustrade des Flachdachs, hielt
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