Das Haus im Moor
erzählte ich ihm, daß ich …«, - er unterbrach sich, verdrehte die Augen und fuhr mit belegter Stimme fort: »also gut, daß wir, oder laß uns noch weiter gehen und sagen, daß du … würde dir das passen?« Er sah sie an, und Constance antwortete ruhig: »Ich habe gar nichts gesagt.«
»Nein! Nein! Das brauchtest du auch nicht. Dein Gesichtsausdruck spricht für sich … Also, weiter. Für den Fall, daß du’s überhaupt hören willst.« Jim ging zum Tisch und setzte sich. »Als ich dieses Haus erwähnte, spitzte der Alte die Ohren und sagte ›Oh, Shekinah. Sie haben also Hall gekauft. Gut, gut. Da gibt’s eine interessante Geschichte. Vielleicht wollen Sie ja darüber schreiben.‹«
Constance hatte Jim den Rücken zugewandt, und er konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber er wußte, daß er sich verraten hatte, und machte eine Pause. Er konnte nie lange in fremder Gesellschaft sein, ohne darauf hinzuweisen, daß er Schriftsteller war. Es war eigentlich eine harmlose Schwäche, aber Constance konnte sie nicht ertragen. Schließlich fuhr er mit rauher Stimme fort: »An deiner Stelle würde ich mich vor diesem großen Kerl vorsehen. Ich konnte ihn vom ersten Moment an nicht leiden. Halte Abstand zu ihm.«
»Abstand?« fragte sie ungehalten und sah ihn über die Schulter an.
»Oh, du weißt schon, was ich meine … weise ihn in seine Schranken. Außer der Mutter sehen alle wie ein Haufen irischer Zigeuner aus, und sie hat offenbar auch nicht richtig nachgedacht, als sie diesen O’Connor heiratete. Dem muß man nur fünf Minuten zuhören, um zu wissen, daß er zu der Sorte Iren gehört, die keine Lust haben, zu arbeiten.«
»Hör auf, so über sie zu sprechen!« Constances Stimme war ungewöhnlich energisch. »Ich habe dir schon gesagt, daß sie mehr als freundlich zu uns waren.«
»Von uns kann keine Rede sein.«
»Auch gut. Sie waren mehr als freundlich zu mir. «
»Sie waren nur deshalb freundlich zu dir, weil sie an dir verdienen konnten.«
»Sie haben nichts an mir verdient. Alles in allem habe ich das Haus für sehr wenig Geld bekommen.«
Jim schloß die Augen und gab nach. »In Ordnung, in Ordnung, lassen wir’s dabei. Aber ich sag’s dir: Der Alte da unten hat wirklich seltsame Dinge angedeutet.«
»Was hat er denn gesagt?«
»Nichts Genaues, aber er fragte, ob ich schon Big Vin gesehen hätte. Dann warf er den Kopf zurück und lachte. Er hat auch nach der Dicken, der Hannah, gefragt, und bevor er ging, machte er eine rätselhafte, aber aufschlußreiche Bemerkung: ›So was wäre in der Stadt unmöglich, Mister. In einer Stadt könnte so was nie geschehen, man würde es einfach nicht zulassen.‹ Was sagst du dazu?«
Constance war jetzt doch etwas verunsichert. Sie wußte nicht, was sie von dem Gerede halten sollte. Aber sie wußte, daß sie die O’Connors mochte, ja, sogar den ältesten …
Gegen halb acht brachten Moira und Biddy eine Kanne voller Milch und ein Stück hausgemachte Butter herauf. Sie stellten beides auf die Anrichte und sahen Mrs. Stapletons Ehemann schüchtern an. Natürlich war zu Hause über ihn gesprochen worden. Aber heute Abend sah er anders aus, nicht so steif, sondern viel fröhlicher. Er stellte sich sogar zwischen sie, legte seine Arme um ihre Schultern und fragte sie nach ihren Namen und ihrem Alter. Außerdem sagte er zu Biddy, daß sie viel zu schön sei, um auf dem Land zu versauern. Biddy wurde rot. Dann gab Mrs. Stapleton ihnen die ungespülte Milchkanne zurück und bat sie, ihrer Mutter auszurichten, daß sie morgen vorbeikäme.
Moira und Biddy wollten eigentlich noch ein bißchen dableiben. Sie hatten ihrer Mutter solange zugesetzt, bis sie es erlaubt hatte. Doch jetzt wurden sie beinahe hinausgeworfen, so wie Hannah es immer mit den Hühnern machte.
Als sie den Hügel hinuntergingen, sagte Moira zu Biddy, daß sie schon wisse, warum Mrs. Stapleton so ärgerlich gewesen sei. Zwar war sie noch ziemlich unbedarft, aber immerhin wußte sie schon, daß Frauen es nicht leiden konnten, wenn sie ihre Ehemänner zu anderen Frauen sagen hörten, sie seien schön. Frauen konnten sehr eifersüchtig sein. So viel hatte Moira schon gelernt.
7
Die ersten zwei Wochen in dem Haus verliefen friedlich. Constance verschwendete keinen Gedanken daran, daß mit den O’Connors etwas nicht stimmten könnte. Sie dachte auch nicht mehr an die Szene, die sich in der Küche abgespielt hatte, nachdem sie die Mädchen durch den Flur nach draußen geschoben hatte, oder daran,
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