Das Haus im Moor
daß Jim furchtbar wütend in die Stadt zurückgefahren war.
Am nächsten Tag war sie zu den O’Connors gegangen und hatte Biddy und Moira zum Tee eingeladen. Zwei Tage später sah sie, daß Vincent O’Connor nach Hause zurückkehrte. Constance beobachtete zumindest den Landrover, der wie ein kleiner, schwarzer Käfer über die kurvige Landstraße auf den Hof zukroch.
Die Kinder hatten ihr am selben Tag erzählt, daß ihr Vater Vin am Bahnhof abholen würde. Sie waren sehr aufgeregt gewesen und wollten unbedingt wissen, ob ihr Bruder den Generator mitbrachte, weil es wunderbar wäre, endlich Strom zu haben.
Am Samstagmorgen waren Biddy, Michael, Davie, Joseph und Moira dann den Hügel heraufgestürmt gekommen, und Constance hatte ihren aufgeregten und verworrenen Berichten entnommen, daß Vin ein großartiges Geschäft gelungen war. Er hatte nicht nur einen Generator mitgebracht, sondern auch eine Drehbank und eine Säge, die mit Strom betrieben wurde, und eine Schleifmaschine … und noch viele Dinge mehr. Constance wollte wissen, wofür er all dies denn benötigte.
Die Kinder starrten sie an. Das wußte sie nicht? Vin machte Tiere, wunderschöne Tiere! Er schnitzte sie aus Holz, in Handarbeit, und schickte sie dann an eine Firma, wo ihnen der letzte Schliff gegeben wurde. Sie wurden poliert, und einige wurden auch bemalt. Aber die in der Firma waren Betrüger. Das sagten Vater und Hannah immer wieder zu Vin, als ob er das nicht selbst wüßte. Aber dann hatte es diese Glückssträhne gegeben, als der Cousin ihrer Mutter aus Manchester vorbeigekommen war und gesehen hatte, was Vincent im Grunde benötigte. Maschinen, und Strom, um sie anzutreiben, und er hatte auch gewußt, wo das alles gebraucht zu bekommen war. Dann konnte er endlich sein eigenes Geschäft eröffnen, und niemand würde ihn mehr betrügen. Und deshalb hatten sie das Haus an sie verkauft. Verstand sie jetzt?
Constance verstand … Was konnte mit solch einer Familie nicht stimmen? Nichts, aber auch gar nichts. Sie war genauso offen wie der weite Himmel über ihr.
Eine Woche später hatte Sean O’Connor sie mit in Vincents Werkstatt genommen. In einem Cottage war die Wand zwischen zwei kleinen Räumen herausgerissen worden. Zwei Wände waren bis zur Decke mit Regalen zugestellt, in denen geschnitzte Tiere jeder Größe und Sorte standen. Constance hatte sie eine Weile lang betrachtet und dann gefragt: »Und all das hat er mit der Hand geschnitzt?«
»Jedes Bein, jede Feder und jeden Rumpf. Er ist ein Künstler. In London könnte er ein Vermögen damit machen, aber London ist nichts für ihn, also gibt er’s für ein paar Pennys weg. Aber nicht mehr lange. Nicht mehr lange! Wenn die Maschinen kommen, ist er aus dem Schneider. Wir alle sind dann aus dem Schneider.«
»Wie lange braucht er wohl, um das dort zu schnitzen?« Constance zeigte auf einen Löwen, der etwa zehn Zentimeter hoch war. Die Mähne war so gut gelungen, daß man beinahe erwartete, daß sie sich im Wind bewegte.
»Oh, für so etwas einen ganzen Tag. Er sitzt stundenlang da, er vergißt dann alles um sich herum. Ich sage Ihnen, unser Vin ist ein großer Künstler.«
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und das Geräusch ließ sie zusammenfahren. Vincent O’Connor starrte sie an, und sein Vater sagte: »Ach, da bist du ja, Junge. Ich habe Mrs. Stapleton einige deiner Arbeiten gezeigt. Ich dachte, du würdest einen Spaziergang machen.« Er ging auf die Tür zu und schlängelte sich an seinem Sohn vorbei. »Ich bin jetzt weg. Ich muß nach den Schweinen sehen. Irgendwas gibt’s immer, immer ist irgendwas …«
Vincent O’Connor sagte brüsk: »Ich mag grundsätzlich keine Besucher in meiner Werkstatt.«
Constance wurde rot. »Oh, das tut mir leid. Ich wollte nicht …«
»Ich weiß, daß Sie nichts Böses im Sinn hatten. Aber mein Vater … er sollte eigentlich vernünftiger sein.«
»Möchten Sie nicht, daß jemand Ihre Arbeit sieht?« fragte Constance vorsichtig.
»Nein.«
Sie war überrascht: »Aber die Tiere sind doch schön. Nur ein Bildhauer kann so schnitzen.«
»Ich bin kein Bildhauer.«
»Wie würden Sie denn diese Arbeit nennen?«
Sein Blick glitt über die Regale, als ob er noch nie zuvor gesehen hätte, was sich darin befand, und dann antwortete er steif: »Das sind die Arbeiten eines Stümpers.«
»Sie sind zu bescheiden.«
»Ich bin auch nicht bescheiden.« Seine Stimme hatte einen groben, harten Klang angenommen, der zu seinem Gesicht zu
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