Das Haus im Moor
den Teller darauf und holte einen anderen für noch mehr Sandwiches. Plötzlich hielt sie inne und sah Hannah an. »Deine Ahnung … Hannah, ich hoffe, daß es eine gute ist.«
»Ich weiß nicht, Florence.« Hannah schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich habe ein komisches Gefühl, nicht traurig und auch nicht froh. Ich weiß es einfach nicht. Ich hatte noch nie so ein Gefühl an einem Silvesterabend. Und außerdem … außerdem will ich tanzen. Vielleicht verscheucht das die Unruhe, die uns beide quält.«
»Ja, Hannah, das könnte sein.«
»Ach, das alte Jahr ist fast vorbei, laß es uns heute Abend einfach vergessen! Er ist glücklich, Florence.«
»Ich bete, daß es anhält. Aber ich sehe nicht, wie das möglich sein soll.«
»Ich auch nicht, Florence, ich auch nicht. Wenn wir beide unsere Gebete zusammentun … Hör doch! Kathy lacht. Ist es nicht toll, daß sie morgen frei hat, ausgerechnet jetzt? Alle außer Kevin sind hier, Florence, und es ist verständlich, daß er Silvester zu Hause feiern wollte, nicht wahr?«
»Ja, natürlich«, antwortete Florence.
»Hast du übrigens gesehen, wie Biddy sich um Peter bemüht hat? Sie war ganz schön frech. Zum Glück hat der Junge nur Kathy im Sinn. Hör sie dir an! Sie singt schon wieder dieses Lied. Das kommt davon, wenn man in der Stadt lebt und fernsieht.«
Biddys hohe Stimme drang jetzt in die Küche: »Ich sage, nein, nein, nein! Das bin ich nicht, Baby, ich bin es nicht, die du suchst.«
Florence hörte nicht auf Biddys Gesang. Sie nahm die Schürze ab, die sie vor ihr einziges und bestes Kleid gebunden hatte, und fragte: »Glaubst du, daß es ihr gefällt?«
Hannah fragte nicht, wen sie meinte, sondern antwortete sofort: »Das könnte ich schwören. Sie hat sogar etwas Farbe bekommen, und als Kathy mit ihrem Vater tanzte, hat sie in die Hände geklatscht und mit allen anderen gelacht. Oh, es gefällt ihr bestimmt sehr gut, Florence.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß ihr so etwas Spaß macht. Aber sie ist offensichtlich gern heruntergekommen. Jetzt aber Schluß! Ist die Kohle vorbereitet?«
»Ja, Florence.« Neben dem Kamin lag ein Kohleklumpen auf Zeitungspapier.
»Und da ist das frische Brot«, sagte Florence und deutete auf die Bank. »Die Flasche wird er selbst holen. So, ich glaube, wir sollten jetzt besser hineingehen.«
Als sie die Tür zum Salon öffneten, schlug ihnen ein ohrenbetäubender Lärm entgegen. Die Kinder saßen auf der Matte vor dem Kamin, Kathy, Constance und Sean O’Connor auf dem Sofa, und Vincent und Peter in den Ledersesseln.
»Ruhe! Seid mal ruhig!« bat Florence die Kinder. Dann wandte sie sich an Vincent und sagte: »Es dauert nur noch ein paar Minuten.«
Vincent stand auf und nahm die Flaschen, die er vorhin hereingebracht hatte, von der Anrichte. »Gut, dann will ich mal loslegen.«
Die Jungen schubsten sich gegenseitig und standen auf. Michael schrie Davie an: »Nächstes Jahr darf ich das machen. Vin hat gesagt, wenn ich sechzehn bin, geht das.«
»O ja«, brüllte Davie verächtlich zurück, während sie zur Tür rannten. »Aber in deiner Flasche hast du dann Limonade oder Milch, genau, Milch wird’s sein!«
»Still!« rief Sean. »Hört jetzt endlich auf mit dem Krach, sonst merkt ja niemand, wann es soweit ist.« Er blickte zur Uhr. »Drei Minuten noch. Stimmt das, Mrs. Stapleton?« Constance antwortete: »Nach meiner Uhr sind’s noch vier, aber vielleicht geht sie falsch.«
»Egal, drei oder vier, was soll’s. Wahrscheinlich dauert’s nur noch eine Minute. Kommt alle in die Küche!« Sean reichte Constance die Hand und half ihr aufzustehen. Er sagte: »Wir sollten eigentlich durch die Haustür gehen« – er zeigte auf die Tür am Ende des Raumes – »aber es ist eine Höllenarbeit, sie zu öffnen, und erst recht, sie wieder zu schließen. Das Holz hat sich mit den Jahren verzogen, so wie wir auch, also werden wir auch im neuen Jahr das Haus das erste Mal durch die Tür betreten, durch die wir immer gehen.«
Als Constance in die Küche kam, sah sie, daß Florence gerade ein weißes Brot in Vincents Armbeuge legte und ihm dann ein Stück Kohle gab. Er klemmte sich die Whiskyflasche unter den anderen Arm und nahm die Kohle. Dann ging er durch den angrenzenden Lagerraum hinaus, und alle riefen ihm etwas hinterher.
»Es soll ein gutes werden, Vin.«
»Ein reiches soll’s werden, Vin.«
»Ich will die Prüfungen bestehen.« Das kam von Kathy.
»Ich auch, Vin.« Peter schloß sich an.
»Sieh
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