Das Haus im Moor
zu, daß ich beim Poulespiel gewinne«, rief Biddy.
»Ein Motorrad, Vin«, bat Michael. Und so ging es weiter. Jeder wünschte sich etwas vom Neuen Jahr.
»Glück für uns alle, Vin«, wünschte sich sein Vater, und Hannah bat: »Frieden für unser Haus, Vin.« Nur Florence und Constance sagten nichts, und als Vincent die Tür öffnete, wehte der Schnee herein. Sean drückte sie wieder zu, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und sah seine Familie an. Sie standen alle im Licht, das diesmal nicht von einer Glühbirne, sondern von einer Lampe an der Decke kam. Alle schwiegen. Sie warteten darauf, daß Vincent ihnen das Neue Jahr bringen würde.
Einer der Jungen hustete, und Sean wies ihn zurecht: »Seid jetzt still! Bei dem Wind da draußen werden wir sonst gar nichts hören.«
Minuten vergingen, ohne daß der Klang der Glocken durch die dicken Steinmauern zu hören war. Das nächste Geräusch kam von einer Faust, die gegen die Tür hämmerte. Vincent schrie: »Macht auf da drinnen! Macht auf!«
Sean riß die Tür auf und rief: »Wir haben noch gar. nichts gehört!« und Vin antwortete aufgeregt: »Ich hab es auch nur mit Mühe gehört. Ein glückliches Neues Jahr! Glückliches Neues Jahr!«
Lärmend drängten sie sich alle zusammen in die Küche. Vincent legte die Kohle und das Brot nieder, hatte nur noch die Whiskyflasche in der Hand und beglückwünschte jeden einzelnen: »Glückliches Neues Jahr, Mutter.« Hannah legte ihm die Arme um den Hals und gab den Wunsch zurück: »Noch viele davon, Junge, noch ganz viele.« Nicht einmal bei dieser Gelegenheit nannte sie ihn ›Sohn‹. Kathy und Moira klammerten sich an ihn, dann die Jungen. Es gab keine Küsse, nur sanfte Klapse auf den Kopf, die die Kinder ihm mit Schlägen auf seinen Bauch heimzahlten.
»Mögen all deine Wünsche in Erfüllung gehen, Michael.«
»Danke, Vin. Deine auch.«
Vincent schüttelte Peter die Hand »Glückliches Neues Jahr.«
»Für Sie auch, Vin. Glückliches Neues Jahr.«
Dann sah Vincent Constance an, zögerte einen Augenblick und reichte ihr ebenfalls die Hand. »Auch für Sie ein glückliches Neues Jahr.«
»Gleichfalls, Vin, ein glückliches Neues Jahr.«
Als er ihre Hand schon längst losgelassen hatte, fühlte sie immer noch den Druck und die Wärme.
Einige Minuten später waren alle wieder im Salon, und Sean rief: »Hat jeder etwas in seinem Glas, Florence?«
»Ja, ja«, gab Florence aufgeregt zurück. Dann stellten sich alle im Kreis auf und hoben die Gläser. In den Gläsern der Kinder war hausgemachter Wein, die Erwachsenen, zu denen auch Kathy und Peter zählten, tranken Scotch Whisky.
Alle hatten die Augen auf Sean gerichtet, der mit großer Geste rief: »Auf uns alle!« Die anderen antworteten: »Auf uns alle!«
»Und nun kommt! Laßt uns essen!« schlug Sean dann vor. Und das taten sie ….
Um halb zwei war nichts mehr übrig. Die Küche hatte sich inzwischen verwandelt. Der lange Tisch stand hochkant in der Ecke neben dem Waschbecken, die Stühle waren an die Wand geschoben und die Teppiche zusammengerollt worden. Der steinerne Fußboden war jetzt die Tanzfläche.
Vincent spielte auf seiner Mundorgel Gigues und Reels, und Sean hatte Florence bald zu einem Tänzchen überredet. Hannah und die Kinder und auch Kathy und Peter brauchten nicht lange beschwatzt zu werden.
Constance saß neben dem Herd und wärmte sich die Knie. Sie lachte und klatschte und dachte nicht an die Zukunft. So glücklich war sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gewesen.
Kathy ging zu ihr. Sie war erhitzt und sah ebenfalls glücklich aus. »Wir wollen noch das Grammophon anmachen. Möchten Sie einen Walzer tanzen? Peter sagt, daß Sie eine umwerfende Tänzerin sind. Übrigens« – sie zwinkerte Constance zu – »darin steht er Ihnen in nichts nach.« Sie klopfte ihr auf die Schulter und lachte. In diesem Augenblick war sie Hannah sehr ähnlich.
»Oh, ich kann überhaupt nicht tanzen, Kathy«, erwiderte Constance. »Kümmern Sie sich nicht um mich. Ich bin glücklich, wenn ich euch beobachten kann.«
»Trotzdem werden wir einen Walzer spielen«, rief Kathy. »Das ist zwar alles altmodisches Zeug, aber was macht das schon?« Sie lief zu der Bank, auf der inzwischen das Grammophon stand und brüllte über das Getöse hinweg: »Jetzt kommt ein Walzer!«
Vincent steckte die Mundorgel in die Tasche. Dann ging er auf Constance zu und fragte: »Wollen wir’s versuchen?«
Constance saß wie festgewachsen auf ihrem Stuhl. Sie konnte nicht
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