Das Haus in den Dünen
ausgeschlafen und war erst gegen neun Uhr aufgestanden. Paula und ihre Freundin schliefen noch in ihrem Zimmer. Er bemühte sich, leise zu sein. Auf dem Tisch ließ er einen Zehnmarkschein zurück, damit Paula einkaufen gehen konnte. Gegen zehn parkte er auf dem Parkplatz im Hof der Dienststelle. Monika Sander fuhr im Dienstwagen an ihm vorbei und winkte ihm zu. Anne saß neben ihr.
Die Kollegen von der Wache grüßten, als er durch die Sicherheitsschleuse das Gebäude betrat. Er ging die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Auf dem Flur war es ruhig. Waren Monika und Anne die Einzigen, die heute außer ihm arbeiteten?
Seine Frage war schnell beantwortet, denn Kleinschmidt kam mit lautem Gepolter durch die Glastür. Er fluchte, weil er mit seinem Ärmel an der Klinke hängen blieb.
»Eigentlich ist heute Wochenende«, lamentierte er. »Ich könnte mich zu Hause auf die Couch legen und den ganzen heben langen Tag an die Decke starren. Aber nein, wo bin ich, ich bin im Büro. Im nächsten Leben werde ich Polizeidirektor.«
Trevisan lächelte. Er mochte den kauzigen Kollegen von der Spurensicherung. Und seine Kompetenz war von unschätzbarem Wert für die Abteilung.
»Bist du wieder einmal mit dem linken Bein zuerst aufgestanden?«, frotzelte Trevisan.
Horst Kleinschmidt betrachtete Trevisan nachdenklich. »Du kommst jetzt erst?«, bemerkte er dreist. »Deine Kollegen sind alle schon auf Achse und ich bin auch schon seit acht Uhr unterwegs. Du willst wohl auch Polizeidirektor werden.«
Trevisan überging seine Anspielung. »Hast du etwas für mich?«
»Und ob«, antwortete Kleinschmidt und folgte Trevisan ins Büro.
Trevisan hängte seine Jacke an den Kleiderständer und setzte sich an seinen Schreibtisch, während Kleinschmidt stehen blieb und ihn mit listigen Augen musterte.
»Hast du die Zeitung heute schon gelesen?«
Trevisan schüttelte den Kopf. »Keine Zeit.«
»Die Schmierfinken ziehen dich wieder ganz schön durch den Kakao. Wieder der Kerl vom Wilhelmshavener Tageblatt. Der hatte dich doch schon im Frühjahr wegen des Wangerlandmörders auf dem Kieker.«
Trevisan blieb gelassen. »Mich interessiert nicht, was die Kerle schreiben. Die wollen doch auch nur ihre Auflage steigern, der Rest ist ihnen egal.«
»Aber sie erzeugen Stimmung«, gab Kleinschmidt zu bedenken. »Und unsere Frau Direktorin hat dafür eine ganz feine Nase.«
»Wir machen unsere Arbeit und versuchen, einen Mörder zu fangen. Da bleibt keine Zeit für gute Publicity. Ich kann mir keinen Medienberater leisten, dazu ist mein Gehalt etwas zu schmal. Hast du etwas, das uns weiterhelfen könnte?«
Kleinschmidt zog einen Zettel aus seiner Jackentasche. »Wir haben uns noch einmal intensiv mit den Knöpfen befasst.«
»Ich dachte, das ist Dutzendware und bringt uns nicht weiter?«
»So haben sie es Hanselmann in der Boutique am Bahnhof erklärt«, antwortete Kleinschmidt. »Die Verkäuferin hat zum Teil recht, aber mir reichte die Auskunft nicht. Ich habe ihn an die KTU geschickt, damit man eine Analyse durchführt.«
»Und?«
»Es ist ein Hemden- oder Blusenknopf mit zwei Löchern. Durchmesser 12,5 Millimeter. Ein Normmaß, das sind 20 Linien, wenn man das englische Knopfmaß zugrunde legt. Er ist aus Horn gemacht. Aus Kuhhorn, um genauer zu sein. Es handelt sich tatsächlich um Dutzendware und ich glaube kaum, dass wir die Spur der Knöpfe verfolgen können. Sie werden zu tausenden ausgeliefert und die Herstellerfirmen von Bekleidung wechseln ihre Zulieferer gerade wie es ihnen gefällt.«
Trevisan verzog die Stirn. »Dann kannst du das nächste Mal der Verkäuferin vertrauen.«
Kleinschmidt lächelte. »Bemerkenswert ist, dass der Knopf schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Er stammt aus den späten Sechzigern. Zumindest hat das die Analyse ergeben.«
Trevisan blickte auf. »Das müsste bedeuten, dass unser Täter die Knöpfe mit sich herumschleppt. Ich glaube kaum, dass jemand ein vierzig Jahre altes Hemd trägt.«
»Der würde damit auffallen wie ein bunter Hund«, bestätigte Kleinschmidt. »Obwohl, wenn ich mir das richtig überlege, dreht sich die Mode in den letzten Jahren immer nur im Kreis.«
»Wir müssen diese Knöpfe vielleicht als Zeichen werten«, sagte Trevisan nachdenklich. »Sie haben für den Täter wohl eine besondere Bedeutung.«
»Das müsst ihr herausfinden. Ich überbringe nur die Fakten, den Reim darauf müsst ihr euch machen.«
Trevisan hörte Kleinschmidts Standardantwort schon nicht mehr, er
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