Das Haus in den Wolken
»Aber ich gehe nicht aus Porthglas weg.«
»Isabel â«, begann er, als plötzlich die Haustür aufï¬og, ein Mann den Kopf herausstreckte und rief: »Alles fertig, liebste Isabel. Bekomme ich jetzt vielleicht eine Belohnung?«
»Blaze«, sagte Isabel schroff.
»Wer zum Teufel ist das?«, fragte Richard.
»Richard«, erklärte Isabel rasch, »das ist ein Freund von mir, Blaze Penrose. Blaze, das ist mein Mann Richard.«
Blaze Penrose â ohne Jackett, mit zu langen Haaren, die Ãrmel aufgekrempelt und den obersten Hemdknopf geöffnet â kam heraus und begrüÃte ihn. »Guten Tag, Mr. Finborough.«
Er bot ihm die Hand, was Richard ignorierte. Isabel rief: »Richard!«, und er sagte: »Ich wusste nicht, dass ich hier störe«, worauf Isabel wütend zurückgab: »Richard, mach dich nicht lächerlich!«
»Lächerlich?« Sein Blick ï¬og zwischen den beiden hin und her. Er vermutete das Schlimmste. »Ja, du hast recht. Ich wirke vermutlich äuÃerst lächerlich auf dich.«
»Richard!«, rief sie noch einmal. »Hör mir nur einmal in deinem Leben zu! Es ist nicht so, wie du denkst. Blaze hat oben an einem der Fenster die Vorrichtung für die Verdunklung repariert â das ist alles!«
Jetzt mischte sich der Mann â Blaze â ein. »Das stimmt, ich habe nur die Vorrichtung repariert.« Richard, den der Ton und das Lächeln dieses Mannes noch mehr in Rage brachten, schlug zu. Blaze Penrose ächzte erstaunt und ging zu Boden, rappelte sich aber sogleich wieder auf und schlug zurück. Er hatte schlecht gezielt, der Hieb landete auf Richards Brust und brachte diesen nur leicht ins Wanken. Es folgten noch ein paar wütende Faustschläge, bis beide Männer, nach Luft schnappend, im Gras lagen.
»Sie Mistkerl«, rief Blaze, setzte sich auf und begutachtete seine Hand. »Ich glaube, mein Zeigeï¬nger ist verstaucht.«
Richard drückte sich ein Taschentuch an den Mund, das sich scharlachrot färbte. Isabel und der Wäschekorb waren nirgends zu sehen. »Verdammt«, sagte Blaze, »sie hat uns einfach uns selbst überlassen und ist ins Haus gegangen«, und dann kippte er rücklings wieder ins Gras und schloss schwer atmend die Augen.
Richards Blick blieb an den vier Jungen hängen, die am Gartenzaun standen und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrten. Er wischte sich das Blut vom Mund, kratzte sein bisschen verbliebene Würde zusammen und stieg in seinen Leihwagen.
Weil sie es nicht ertrug, dass sich ihr ruhiges Küstenstädtchen in ein Schlachtfeld verwandelte, ï¬Ã¼chtete Etta Chance nach London zu ihrer Tochter. Doch die GroÃstadt mit ihrem Lärm, dem Verkehr und all den fremden Menschen erschreckte Etta. Und der Schwarze Samstag, die erste Nacht des Blitz , der deutschen Luftangriffe auf London, versetzte sie in Todesangst.
Am späten Nachmittag heulten zum ersten Mal die Sirenen. Sie gingen alle hinunter in den Heizungskeller unter den Wohnungen im Erdgeschoss und saÃen in der von klopfenden Rohren gewärmten Dunkelheit, während über ihnen krachend die Bomben einschlugen und die viktorianischen Reihenhäuser und die dickensschen Lagerhäuser des East End in Trümmer legten. Um sechs Uhr gab es Entwarnung. Benommen krochen sie wieder an die Oberï¬Ã¤che und blickten blinzelnd ins helle Tageslicht. Im Osten stand eine riesige dunkle Wolke.
Zwei Stunden später kehrten die Angreifer zurück, jetzt von brennenden Häusern und Fabriken geleitet wie von Leuchtsignalen. Es regnete Sprengstoff vom Himmel, und diesmal nicht nur im East End, sondern auch in wohlhabenderen, vornehmeren Stadtteilen. Feuerwehrleute kämpften sich zu Brandstätten durch und bemühten sich verzweifelt, ihre Schläuche auf Gebäude zu richten, aus denen die Flammen dreiÃig Meter hoch in den Himmel schlugen. Feuerwehrschiffe drängten sich auf der Themse, und die Ratten ï¬ohen wie eine schmutzigbraune Welle aus einem groÃen Getreidelagerhaus im Londoner Hafen.
Ruby schleppte eine Matratze, Decken und Kissen in den Heizungskeller hinunter, kochte Tee und versuchte, ihre Mutter zu trösten und zu beruhigen. Die Angriffe dauerten die ganze Nacht an. Bei jedem Beben der Erde über ihnen zuckte Etta zusammen, bei jedem Krachen, Sirren und Pfeifen. Ihre Hände zitterten so heftig, dass sie nicht einmal
Weitere Kostenlose Bücher