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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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werde.
    Richard fluchte und zerriss zähneknirschend den Brief. In der folgenden Woche besuchte er eine Flugzeugfabrik in Filton, in der Nähe von Bristol, um einen Auftrag über Motorenteile zu besprechen, die von den Finboroughs hergestellt werden sollten. Sobald die Geschäfte erledigt waren, bezahlte er seine Hotelrechnung und nahm den Zug nach Exeter. In Exeter stieg er nach St. Ives um und erreichte mit einem elenden Bummelzug, der an jeder Milchkanne hielt, erst am späten Nachmittag endlich sein Ziel. In St. Ives ging er zu der Werkstatt, deren Kunde er schon vor dem Krieg gewesen war, und schaffte es mit Druck und Bestechung, einen Wagen mit genügend Benzin auszuleihen, der ihn nach Porthglas bringen würde. Der Wagen, ein alter Austin 7, fuhr nicht schneller als fünfunddreißig Kilometer die Stunde und hatte, so wie er vom Dorf bis zum Cottage über die holprige Landstraße rumpelte, schon längst keine Federung mehr, wenn er denn je eine besessen hatte. Auf der einen Seite breiteten sich die Felder aus, auf der anderen standen, nur ein paar Meter entfernt, die steilen Klippen, die zur See hin abfielen. Ein von früheren Reisen her vertrautes Gefühl überkam ihn, als würde er in ein anderes Land eintreten, in ein Land aus Wolken, See und Himmel, am Ende der Welt.
    Richard parkte vor dem niedrigen weißen Zaun, stieg aus und machte, um seine von der langen Fahrt steifen Gelenke zu lockern, einen kurzen Spaziergang den Abhang zum Strand hinunter. Große Rollen Stacheldraht und Betonblöcke versperrten den Zugang zum Strand, um die deutschen Invasionstruppen aufzuhalten. Er blickte zum Cottage zurück. Nichts schien sich seit seinem letzten Besuch verändert zu haben – die weiß getünchten Wände hoben sich strahlend vom blauen Himmel ab, und auf einer Leine flatterte Wäsche im Wind. Der Geruch, den er stets mit Porthglas verband, stieg ihm in die Nase – ein Geruch nach Salz und Gras, gemischt mit dem honigsüßen Duft des Wiesenklees, der hier an der Küste wuchs. Er hörte das ferne Rauschen der Wellen, die an den Strand schlugen, und in der Nähe das Geschrei spielender Kinder – Kreischen, dann Gelächter. Und auf einmal fühlte er sich in der Zeit zurückversetzt, die Jahre fielen von ihm ab, er war wieder ein junger Mann, und Isabel wartete im Cottage auf ihn, während die Kinder im Garten spielten.
    Die Tür wurde geöffnet, und Isabel trat heraus. Einen Moment stockte Richard der Atem, dann holte er so tief Luft, als mangelte es ihm schon viel zu lange an Sauerstoff. Reglos stand er da und sah zu, wie sie zur Wäscheleine ging, die trockenen Kleidungsstücke abnahm und sie in einen Weidenkorb legte.
    Er ging auf sie zu. »Hallo, Isabel.«
    Â»Richard.« Sie drückte hastig die Hand auf den Mund. Dann: »Ist etwas passiert? Die Kinder –«
    Â»Nein, nein, nichts dergleichen. Es geht allen gut, soweit ich weiß. Ich wollte dich einfach besuchen.«
    Â»Oh.« Sie hielt immer noch den Klammerbeutel in der Hand und sah jetzt auf den Weg. »Der Wagen…?«
    Â»Kein Benzin – die verdammte Rationierung. Ich habe den Zug genommen und mir dann diese alte Klapperkiste von Fred Gribbin geliehen.«
    Â»Hast du meinen Brief bekommen?«
    Â»Ja, deshalb bin ich hier.«
    Er sah, wie sie den Mund verzog und die Stirn runzelte. »Willst du mich etwa immer noch überreden, nach Raheen zu gehen, Richard?«
    Â»Aber ja, du kannst nicht in Cornwall bleiben. Das wäre absolut unvernünftig!«
    Ihr Blick war kühl. »Wir leben nicht mehr als Mann und Frau zusammen, was geht dich also meine Sicherheit an?«
    Â»Du bist immer noch die Mutter meiner Kinder. Ganz gleich, was geschehen ist – ganz gleich, was du getan hast – daran ändert sich nichts.«
    Â»Ganz gleich, was ich getan habe…«, wiederholte sie langsam. »Fahr zurück nach London, bitte, Richard. Du verschwendest hier nur deine Zeit.« Sie drehte sich um und bückte sich, um den Wäschekorb aufzunehmen.
    Er versuchte, seine aufflammende Wut zu beherrschen. »Um Gottes willen, Isabel. Denk an das, was auf dem Kontinent geschehen ist. Ich bin im Krieg gewesen, ich habe gesehen, was er den Menschen antun kann. Lass dir nicht weismachen, dass das Leben weitergeht wie vorher, denn das wird es nicht.«
    Â»Du hast sicher recht«, erwiderte sie ruhig.

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