Das Haus in den Wolken
nachdem Isabel bei den Clarewoods angefangen hatte, der kleine Edward zwei Jahre später. Mrs. Clarewood lieà ihr mit den Kindern fast freie Hand, und sie liebte das Leben an der See, vor allem im Sommer, wenn die Hausregeln etwas laxer gehandhabt wurden und die Dienstboten â Mrs. George, die Köchin, und Liddy, das Stubenmädchen â öfter einmal alle fünfe gerade sein lieÃen, die eine, statt zu kochen, nur Reste aufwärmte, die andere es mit dem Abstauben nicht so genau nahm.
Sie begegnete Alï¬e zum ersten Mal an einem warmen Pï¬ngsttag. Es war ihr freier Nachmittag, und sie lief mit Liddy an den Strand hinunter. Badewagen, von Pferden oder starken Männern gezogen, karrten die Schwimmer ans Wasser. Die Männer badeten an einem Abschnitt des Strandes, die Frauen an einem anderen. Es wimmelte von Feriengästen, die Wohlhabenderen trugen Schwimmanzüge, die anderen badeten in ihren Alltagskleidern, und alle hatten sie rote Gesichter von der Wärme. Isabel trug das neue blau-weià gestreifte Baumwollkleid, das sie sich selbst genäht hatte. Liddy, die gern und viel redete, plapperte ununterbrochen. Durch ihre Stiefelsohlen spürte Isabel die Wärme des Sandes, während sie beide der Darbietung der Musikanten und Sänger zusahen.
Mitten im Applaus nach einem Lied trat ein junger Mann auf sie zu. »Gefällt den jungen Damen die Vorstellung?«, fragte er.
»Was geht Sie das an?«, gab Liddy zurück, lächelte aber, weil er gut aussah.
»Es war nur eine Frage«, sagte er.
Alï¬e Broughtons Augen waren so tiefdunkel wie Toffee aus schwarzem Rübensirup, und das ebenso dunkle lockige Haar wirkte so weich, dass Isabel am liebsten gleich die Hand hineingeschoben hätte. Der schwarze Schnurrbart über dem hübsch gezeichneten roten Mund war forsch gezwirbelt.
Er holte eine Tüte mit Fruchtbonbons aus der Tasche und bot ihnen welche an. Er sei Handelsvertreter, erklärte er, und verkaufe Zigaretten und SüÃwaren an die Läden und Marktbuden der Seebäder an der Küste von Kent. Er wohnte in einem möblierten Zimmer in Broadstairs und reiste jeden Tag von Stadt zu Stadt, um Bestellungen für Pfefferminzbonbons, Lutscher, Marshmallows und Fruchtgelees entgegenzunehmen.
Sie spazierten zum Anleger, schoben sich durch die Menge der Tagesausï¬Ã¼gler und gingen an Buden entlang, die Wellhornschnecken, eine mit Schokolade überzogene SüÃigkeit, und Ingwerlimonade anboten. Alï¬e kaufte drei Eis für einen Penny: Als er den letzten Rest Eiscreme mit dem Zeigeï¬nger von seinem kleinen Glasteller wischte, sagte er zu Isabel: »Hier«, und hielt ihr den Finger vor den Mund. Sie leckte die Eiscreme ab und errötete, weil seine Haut so süà und salzig warm zugleich schmeckte.
Zurück am Strand, zog Alï¬e die Schuhe aus, warf sein Jackett von sich, rollte die Hosenbeine hoch und watete ins Wasser. Mit einem Blick über die Schulter rief er: »Isabel, kommen Sie rein?«
Liddy schüttelte missbilligend den Kopf, aber Isabel dachte an Bäder in den verträumten Flüssen von Hampshire, wo sich dunkelgrüne Schlingpï¬anzen um ihre Knöchel gelegt hatten. Kleid, Unterrock und Korsett waren schwer wie eine Rüstung. Sie schnürte ihre Stiefel auf und zog ihre Strümpfe aus. Nach der ersten eiskalten Berührung mit dem Wasser hob sie die Röcke und watete tiefer hinein. Die kleinen Wellen umspülten ihre Knöchel, und unter ihren FüÃen gab der Sandboden nach, bildeten sich Mulden, bewegte sich der Grund, auf dem sie stand. Alï¬e war in der Ferne zu einem schwarzen Schatten vor der blauen Weite geworden. Dann tauchte er, und es dauerte einen langen Augenblick, ehe sein Kopf wieder durch die Wellen brach.
Als er an den Strand zurückkam, lagen seine Locken, vom Wasser gebändigt, eng am Kopf an, und sein weiÃes Hemd klebte auf der breiten Brust. Die Sonne funkelte auf den Wellen, und sie musste die Augen beschatten gegen das GleiÃen.
In den folgenden Wochen umwarb er sie mit Eiscreme und Lutschern, mit Strömen von Limonade und Lakritzschnüren. Alï¬es Freund Jim Cottle nahm die drei in seinem Fischerboot mit hinaus auf See. Liddy hockte neben Jim in der kleinen Kajüte, während Isabel und Alï¬e zusammen im Heck saÃen. Ihr Picknick in der Bucht von Pegwell bestand aus rosa und weiÃen Marshmallows. Im Schatten der Klippen
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