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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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mir wohnen kann, bis sie ein eigenes Zimmer gefunden hat – obwohl es mich wahnsinnig machen würde, wenn sie da den ganzen Tag herumsäße und Trübsal blasen würde. Aber sie sagt, sie will lieber auf dem Hof bleiben.«
    Â»Es ist ihr Zuhause«, erwiderte Richard nachsichtig.
    Â»Aber wir haben unser Zuhause auch verlassen, oder nicht? Du hast Irland verlassen – und ich habe so viele Zuhause verlassen.«
    Â»Aber wir beide sind von ähnlichem Wesen, nicht wahr? Wir sind ruhelos, erlebnishungrig, wir wollen immer mehr. Ich habe schon immer gedacht, du bist eine echte Finborough, Ruby, wenn auch keine geborene.«
    Der Kellner kam, räumte die Suppenteller ab und fragte, ob sie lieber Lamm oder Bœuf bourguignon essen wollten – das aus sehr viel mehr Burgunder als Rindfleisch bestehe, wie Richard sie warnte, sodass sie sich beide für das Lamm entschieden.
    Â»Ich wollte dich nach meinem Vater fragen«, sagte Ruby. »Ich möchte wissen, wie er wirklich war.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Ich bin kein Kind mehr. Du musst mir die Wahrheit erzählen.«
    Richards Blick wurde etwas gedankenverloren, und Ruby glaubte, dass er sich wohl der Vergangenheit erinnerte. »Nicholas war stark, aufrichtig, zuverlässig«, begann er. »Wenn man ihn um etwas gebeten hat, konnte man sicher sein, dass es vernünftig erledigt wurde. Und er war einer der tapfersten Männer, die mir je begegnet sind. Was er für mich getan hat – es gibt nicht viele, die diesen Mut aufbringen würden.«
    Â»Aber…?«, warf sie ein.
    Richard wirkte aufgewühlt. »Der Krieg verändert die Männer. Manche verlieren die Nerven, sie können es einfach nicht mehr ertragen. Damals wäre so ein Mann vielleicht noch als Feigling bezeichnet worden – oder Schlimmeres, vielleicht hätte man ihn sogar als Deserteur erschossen. Das tun wir heutzutage, Gott sei Dank, nicht mehr. Aber Nick war anders – ihn machte der Krieg furchtlos. Es gab nichts, was er nicht getan hätte. Aber es ist nicht gut für einen Menschen, furchtlos zu sein. Es wird ihm dadurch etwas genommen. Es ist nur natürlich, Furcht zu spüren.« Richard hielt kurz inne. »Nick wurde immer unberechenbarer, je länger der Krieg dauerte. Es fiel ihm zunehmend schwerer, seine Wut zu beherrschen.«
    Â»Glaubst du, dass er ein Mensch war, der einfach so seine Familie verlässt?«, fragte Ruby.
    Â»Nun, mich hat er nicht verlassen, nicht wahr?«, erwiderte Richard.

    Plötzlich fühlte sich Ruby in jeder Hinsicht unsicher. Es war dasselbe Gefühl wie in den schlimmsten Tagen des Blitz , als sie bei jedem Bombenangriff fürchtete, das Haus könnte über ihr einstürzen. Wenn sie an Theo dachte, auf seiner Korvette, so sah sie gleich die Wellen des Atlantiks über ihm zusammenschlagen und fühlte sich in die unendlichen Tiefen des Ozeans hinuntergezogen.
    Zwei Männer, Nicholas Chance und Josiah Quinn. Beide spurlos verschwunden, Josiah Quinn 1918, Nicholas Chance zehn Jahre später. Josiah Quinn war angeblich von der Armee desertiert, Nicholas Chance hatte angeblich wegen Bigamie seine beiden Familien verlassen.
    Zu viele merkwürdige Zusammentreffen, dachte Ruby. Irgendetwas stimmte da nicht. Schwer vorstellbar, dass der gewalttätige, geizige Josiah Quinn seinen Landbesitz und Reichtum einer Ehefrau überlassen haben sollte, die er misshandelt hatte. Und ihr eigener Vater? Mich hat er nicht verlassen, hatte Richard Finborough erwidert. Er schien nicht zu den Männern zu gehören, die einfach weglaufen, hatte Claire Chance gesagt.
    Zwei Männer, Nicholas Chance und Josiah Quinn. Welche Verbindung gab es zwischen ihnen? Nineveh, dachte Ruby. Maude Quinn.

    Der Schmerz kehrte mitten in der Nacht zurück, so stark, dass Hannah davon erwachte. Sie lag reglos auf der Seite zusammengerollt da, während er in übelkeiterregenden Wellen kam und ging. Dann, nach einigen Stunden, wurde der Schmerz endlich schwächer, und sie schlief wieder ein.
    Als sie erneut erwachte, brach eben die Dämmerung herein. Sie hatte gerade noch Zeit, die Waschschüssel zu erreichen, ehe sie sich übergab. Danach musste sie sich wieder hinlegen, sie zitterte am ganzen Körper. Als das Zittern endlich nachließ, wurde ihr unangenehm heiß, und so schob sie vorsichtig, um ja den Schmerz nicht zu reizen, die Bettdecke zur Seite. Wenn sie doch

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