Das Haus in den Wolken
Sie jemals meine Tochter heiraten werden. Warum wollen Sie Saras Aussichten und auch die Ihren für nichts und wieder nichts ruinieren?«
Richard wartete. SchlieÃlich sagte Wolff: »Also gut, Mr. Finborough, ich werde Ihrer Bitte nachkommen.«
7
S ARA KONNTE VERSTEHEN, warum Alice Finborough Irland nur selten verlieÃ: Ihre GroÃmutter war so sehr verwachsen mit diesem Haus und der wilden Landschaft, die es umgab, dass sie nirgends anders hingepasst hätte. Sara selbst hatte dieses groÃe, weiträumige Haus und die Parklandschaft, in der es stand, immer geliebt, so wie sie die Gesetzlosigkeit der Iren, ihre Geringschätzung jeglicher Regeln und Vorschriften und den ungezwungenen Ton hier liebte. In Irland fühlte Sara sich frei. Hier achtete man nicht so streng auf die Formen wie in London, auf gesellschaftlichen Veranstaltungen ging es weniger steif zu; hier durfte sie, ob zu Pferd oder zu FuÃ, die Umgebung allein durchstreifen.
Im Stall von Raheen stand ein halbes Dutzend Pferde; vor Jahren, als Sara noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihre GroÃmutter ihr das Reiten beigebracht. Sie hatte es auch Philip und Theo gelehrt, aber deren Interesse hatte sich später Motorrädern und Segelbooten zugewandt. Allein Saras Leidenschaft für Pferde war unvermindert erhalten geblieben. Diesen ganzen Spätsommer und Herbst hindurch, als sie sich so merkwürdig abgeschnitten fühlte von allem, was vertraut war, ritt sie endlos kreuz und quer durch Raheen oder über den breiten halbmondförmigen Sandstrand der Bucht von Dundrum.
Antons Brief hatte sie schlieÃlich veranlasst, London den Rücken zu kehren und nach Irland zu reisen. Schmerz und Kränkung, die sie bei der Lektüre empfunden hatte, hatten nicht nachgelassen, waren vielmehr zu einem Teil von ihr geworden. Obwohl sie den Brief verbrannt hatte, konnte sie seine Worte nicht aus ihrem Gedächtnis löschen. »â¦Ich werde Deine Freundschaft immer hochschätzen⦠Sollten unsere Wege sich nicht mehr kreuzen, so wünsche ich Dir für Dein künftiges Leben alles erdenkliche Glück.« Sie hatte in den höflichen, steifen Sätzen nach einer Spur von Liebe gesucht und keine gefunden. In den folgenden Wochen hatte ihre anfängliche Ãberzeugung, dass ein Missverständnis vorliegen musste, allmählich zu bröckeln begonnen. Wenn es ein Missverständnis gab, dann allein von ihrer Seite. Sie hatte die Situation falsch gedeutet. Hätte er sie geliebt, dann hätte er auf sie gewartet. Sie hätte auf ihn gewartet. Sie hätte Ewigkeiten gewartet. Sie hätte Ozeane durchschwommen.
Mit kleinen Unannehmlichkeiten war sie bisher immer fertig geworden, indem sie einfach nicht daran gedacht hatte. Reden wir nicht davon, reden wir von etwas anderem . Dieser Verlust aber ging zu tief, dieser Schmerz war zu überwältigend, um sich einfach verdrängen zu lassen. Wenn sie an frostgrauen Herbstmorgen zur Jagd ritt, wenn sie mit Nachbarn von Raheen zu Mittag aÃ, quälten sie immer dieselben Fragen. Warum liebt er mich nicht mehr? Hat er mich je geliebt? Wenn sie nachts erwachte, war der Schock bei der Erinnerung an das Geschehene so frisch, als wäre er neu. Kurze Augenblicke der Ablenkung bedeuteten nur, dass sie danach den Schmerz des Sich-Erinnerns von Neuem ertragen musste.
Sie rief sich ihre Treffen und ihre Gespräche ins Gedächtnis. Bei leidenschaftsloser Betrachtung erschienen sie ihr so ï¬Ã¼chtig â so trivial , hätte man beinahe sagen können. Eine halbe Stunde in einem Café, ein Spaziergang im Park. Ein Kuss, während ein Schiff unter der Putney Bridge hindurchglitt. Sie addierte die Stunden und Minuten und stellte fest, dass sie und Anton kaum einen Tag allein miteinander verbracht hatten. Konnte man in so kurzer Zeit einen anderen Menschen wirklich kennenlernen? Sie hatte ihn nicht richtig gekannt, das wurde ihr im Lauf der Monate immer mehr zur Gewissheit. Sie hatte ihn überhaupt nicht gekannt. Bestenfalls hatte sie Höflichkeit und Sympathie mit Liebe verwechselt. Schlimmstenfalls hatte sie sich lächerlich gemacht, indem sie sich einem Mann an den Hals geworfen hatte, für den sie nicht mehr als ein netter Flirt gewesen war.
Aber vielleicht hatte auch ihr Vater recht, und Anton Wolff hatte sich nie für sie, sondern immer nur für ihr Geld interessiert. Nein . Nein, das konnte sie nicht glauben.
Diese
Weitere Kostenlose Bücher