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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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«Pauline?»
    «Ich weiß nicht, inwiefern es Sie verletzt, Frieda. Glauben Sie mir, dass ich dies nicht beabsichtige. Ich liebe Pauline und werde, falls sich Konsequenzen aus dieser Liebe ergeben, meine Pflicht ihr gegenüber in keiner Weise vernachlässigen.»
    «Konsequenzen?» Frieda wurde blass.
    «Ich weiß, dass Sie und Pauline gute Freundinnen geworden sind und dass sie Ihnen nahegelegt hat, mich als zukünftigen Ehemann in Betracht zu ziehen. Mir gegenüber hat sie den Wunsch geäußert, ich möge Vernunft walten lassen und eine Verbindung mit der Familie Oppenheim nicht in den Wind schlagen.»
    «Großer Gott!» Frieda schlug die Hände vor den Mund. «Das hat sie gesagt? Und jetzt ist sie fort?»
    «Sie hat mein Haus gestern verlassen. Ich gehe davon aus, dass sie nicht vorhat, noch einmal zurückzukehren, wenn … Nun ja. Falls Sie, Frieda, unter den gegebenen Umständen gewillt sind, die Ehe mit mir einzugehen, werde ich bei Ihrem Vater diesbezüglich vorsprechen.» Bevor sie etwas antworten konnte, hob er rasch die rechte Hand. «Ich bitte Sie, das Für und Wider ganz genau zu bedenken und mir Ihre Entscheidung erst mitzuteilen, wenn Sie sich ganz sicher sind.» Er wandte sich zum Gehen. «Ich verlasse Sie jetzt, Frieda. Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie über das, was ich Ihnen offenbart habe, um Paulines willen Stillschweigen bewahren würden.»
    «Natürlich», sagte sie, doch da war er bereits zur Tür hinaus.
    ***
    «Na, also das ist ja vielleicht eine Überraschung!», rief Christine Schnitzler und eilte auf Pauline zu. «Ich habe erst gedacht, ich sehe nicht richtig, aber Sie sind es wirklich! Ich wusste gar nicht, dass Herr Reuther mit seiner Familie gerade Urlaub macht.»
    Pauline, die sich am frühen Nachmittag schließlich dazu durchgerungen hatte, einen Spaziergang zu machen, war erschrocken stehengeblieben, als ihr auf der Höhe eines großen Kurhotels die frischgebackene Ehefrau Elmar Schnitzlers begegnete. «Fräulein Christine, Verzeihung, Frau Schnitzler … guten Tag», stammelte sie. «Das ist tatsächlich eine Überraschung.»
    «Ja, nicht wahr? Das muss ich meinem Elmar unbedingt erzählen! Oh, er wird so überrascht sein, Sie hier zu sehen. Wissen Sie, er wollte unbedingt ein paar Tage Urlaub machen, auch wenn eigentlich nicht die rechte Jahreszeit ist. Unsere richtige Hochzeitsreise holen wir im Sommer natürlich nach. Allein, ein paar Tage hier im Hotel täten uns gut, meinte er, und hier sind wir. Hatte Herr Reuther womöglich die gleiche Idee?»
    Pauline biss sich verlegen auf die Unterlippe. «Ich bin nicht mit Herrn Reuther und seiner Familie hier. Es ist … Ich habe hier etwas Persönliches zu … erledigen.»
    «Oh.» Christine sah aus, als würde sie gerne mehr erfahren, aber sie war zu wohlerzogen, um einfach nachzufragen. «Nun, es freut mich jedenfalls, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Morgen Abend findet im Hotel eine große Soiree statt. Sie kommen doch auch, nicht wahr?»
    Pauline hob die Schultern. «Eigentlich …»
    «Sie müssen kommen», unterbrach Christine sie. «Es ist viel angenehmer, auf so einer Veranstaltung bereits jemanden zu kennen. Ich bitte Sie, lassen Sie mich nicht im Stich! Morgen Abend um sieben Uhr?»
    Pauline verspürte wenig Lust, wusste aber, dass es nicht schaden konnte, sich in Gesellschaft zu zeigen. Vielleicht traf sie ein paar liebe alte Bekannte. «Also gut, ich werde da sein.»
    «Wunderbar!» Christine strahlte.
    Pauline hatte den Eindruck, dass die junge Frau nur deshalb auf ihrer Gesellschaft bestand, weil sie sich in ihrer Rolle als Gattin eines reichen Erben noch nicht sicher fühlte. Das konnte Pauline letztlich gleich sein. Sie musste nach vorne sehen und durfte sich nicht verstecken, wenn sie bald wieder eine Anstellung finden wollte.
    Nachdem sie sich von Christine verabschiedet hatte, setzte sie ihren Spaziergang fort. Sie kam am Haus ihres Onkels vorbei, das inzwischen längst verkauft worden war. Eine ganze Weile blieb sie vor dem niedrigen Gartentor stehen und betrachtete das kleine Anwesen. Sie hatte viele schöne Jahre hier verbracht. Eine glückliche, unbeschwerte Zeit. Es kam ihr vor, als wäre seither ein ganzes Leben vergangen und nicht nur einige Monate. Seltsamerweise ergriff sie wieder nicht die erwartete Sehnsucht nach den alten Tagen, sondern das überwältigende Verlangen nach Julius und seinem Haus, das noch vor kurzem so wenig einladend auf sie gewirkt hatte. Es stimmte also, dass die Heimat immer dort

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