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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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doch kein schlechter Mensch. Wenn Sie wollen, können Sie sogar ausgesprochen liebenswürdig sein.»
    «Vielleicht habe ich einfach nicht immer Lust dazu.»
    «Sie sind also lieber grantig und schlecht gelaunt?» Pauline lachte. «Das glaube ich Ihnen nicht.» Als ihr bewusst wurde, wie nah sie einander waren, beschleunigte sich ihr Herzschlag.
    Julius räusperte sich. «Halten Sie es nicht für unhöflich, Ihren Arbeitgeber der Lüge zu bezichtigen?»
    Überrascht hob sie den Kopf. «Aber das habe ich doch gar nicht!» Dann sah sie das schalkhafte Funkeln in seinen Augen. «Aber vielleicht sind Sie nicht ganz ehrlich zu sich selbst.»
    Inzwischen hatten sie das Haus in der Löwengasse erreicht und gingen durch das geöffnete Tor, doch Julius machte keine Anstalten, das Haus zu betreten. Stattdessen blieb er mitten auf dem Weg stehen und sah sie nachdenklich an. «Vielleicht», antwortete er schließlich leise und offenbar mehr zu sich selbst als auf ihre Feststellung. «Vielleicht habe ich einfach eine unverschämte Person zur Gouvernante meiner Kinder gemacht.»
    Pauline war sprachlos. Sie konnte nicht einordnen, ob er die letzte Bemerkung ernst gemeint hatte. Weder an seinem Tonfall noch aus seiner Miene konnte sie dies herauslesen. Er besaß die Fähigkeit, seine wahren Gefühle und Gedanken vollendet hinter einer Maske aus Gleichmut zu verbergen.
    Nein, nicht ganz. Je länger sie einander ansahen, desto mehr schienen sich seine Augen zu verdunkeln. Obgleich sich keiner von ihnen im Mindesten bewegt hatte, schien der Abstand zwischen ihnen plötzlich zu schrumpfen. Pauline bemühte sich, ihren Atem unter Kontrolle zu halten, und brach schließlich den Blickkontakt ab, als sie die Spannung zwischen ihnen nicht mehr aushielt. Rasch ging sie ein paar Schritte auf das Haus zu, bis zu den vier Steinstufen, die zur Haustür hinaufführten. Julius folgte ihr. Aber er schien nicht daran zu denken, hineinzugehen, sondern schlug den Kragen seines Mantels hoch und ließ sich auf den Stufen nieder. «Sie haben gut daran getan, mich für ein paar Stunden auf andere Gedanken zu bringen», wechselte er das Thema. «Hätten Sie es nicht getan, wäre uns der Heilige Abend vermutlich verdorben gewesen.»
    «Das habe ich nicht für Sie getan», erwiderte sie.
    Verblüfft hob er den Kopf.
    «Sondern für die Kinder», fuhr sie fort. «Ich weiß nicht, was in der Vergangenheit vorgefallen ist und was mit Ihrer Frau war, aber Sie haben selbst gesagt, dass ihr Todestag auf Weihnachten fällt. Das muss unglaublich schlimm für die Kinder sein. Über so etwas hinwegzukommen ist bestimmt nicht leicht – schon gar nicht in dem Alter.»
    «Es ist in keinem Alter einfach», sagte Julius düster.
    Ein Gefühl der Betroffenheit stieg in Pauline auf. Obwohl es bitterkalt war, ließ sie sich neben ihm auf die Stufen sinken und vergrub die Hände in den Ärmeln ihres Mantels. «Sie vermissen sie sehr?»
    Zu ihrer Überraschung schüttelte Julius den Kopf. «Nein.»
    «Nein?»
    Er schwieg einen Moment. «In Wahrheit bin ich froh, dass sie fort ist. Schauen Sie mich nicht so entsetzt an, Fräulein Schmitz. Es war keine glückliche Ehe.»
    «Haben Sie sie denn nicht geliebt?»
    Wieder verneinte er. «Es war eine arrangierte Heirat, von der unsere Familien profitieren sollten. Sie war hübsch, leidlich gebildet, amüsant – zumindest in ihren guten Phasen.»
    Pauline runzelte die Stirn. «Was meinen Sie damit?»
    Seufzend blickte Julius zum Himmel, an dem sich zwischen Schleierwolken vereinzelte Sterne zeigten. «Mein Vater hielt die Verbindung mit ihr für ausgesprochen vorteilhaft. Ihre Familie war – ist – sehr angesehen und wohlhabend. Valentinas Vater investierte noch vor der Hochzeit eine große Summe in unsere Fabrik und wurde stiller Teilhaber. Ich war jung und entschlossen, etwas aus mir und der Firma zu machen. Ich wollte es zu etwas bringen. Die Hochzeit mit einer jungen, hübschen Frau mit üppiger Mitgift war für mich ein Schritt in diese Richtung.»
    Pauline nickte. «Aber das war nicht der Grund dafür, dass Sie sich nicht mit Ihrer Frau verstanden haben», stellte sie nach einem Blick auf sein verschlossenes Gesicht fest.
    «Es ist ein bisschen komplizierter», bestätigte er. «Valentina war krank», fuhr er fort, ohne weiter auf sie zu achten. «Phasen tiefster Melancholie haben sich mit Zeiten abgewechselt, in denen sie übertrieben euphorisch war. Sie war unberechenbar, sowohl mir als auch den Kindern gegenüber.»
    «Das

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