Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Lächeln. «Sie sind eine gute Zuhörerin. Erwarten Sie nur nicht zu viel von mir. Ich bin kein geselliger Mensch, und Sie werden mir ganz sicher spätestens morgen Mittag wieder gehörig auf die Nerven gehen.»
«Und Sie mir ebenfalls.» Pauline nickte zustimmend. «So wird es vermutlich sein. Aber solange Sie mich nicht hinauswerfen, werde ich das tun, wofür Sie mich bezahlen.»
«Und das wäre?»
«Ich bringe Ordnung in Ihren Haushalt und erziehe Ihre Kinder», gab sie zurück. «Und sollte ich Ihnen dabei absichtlich oder unabsichtlich auf die Zehen treten, dann nur, weil Sie auch darum gebeten haben.»
Einen langen Moment sahen sie einander in die Augen. Pauline spürte, wie ihr Puls sich erneut beschleunigte und die ihr nur allzu bekannte Röte in ihre Wangen kroch. Julius machte einen halben Schritt auf sie zu. «Ich wusste, dass ich mir mit Ihnen Ärger ins Haus hole», sagte er mit rauer Stimme, die ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
«Dann ist es Ihre eigene Schuld, dass Sie mich nun nicht mehr loswerden», antwortete sie mit leicht zittriger Stimme.
«Ach ja? Wie das?»
Paulines Herz hoppelte inzwischen wie ein verschreckter Hase, schlug Haken und ließ sich nicht mehr beruhigen. Dennoch schaffte sie es, ihm zu antworten. «Weil Sie mich zu gut bezahlen. Das wissen Sie genau, denn das lag doch wohl in Ihrer Absicht.» Als sie das gefährliche Funkeln in dem tiefen Blau seiner Augen wahrnahm, wandte sie sich rasch ab und stieg eilig die Stufen hinauf, betätigte den Türklopfer.
Nur Augenblicke später öffnete Jakob die Tür. «Fräulein Schmitz!», rief er. «Herr Reuther, da sind Sie ja endlich. Wir haben uns schon gewundert, wo Sie bleiben! Kommen Sie herein, und wärmen Sie sich auf! Soll ich Ihnen einen heißen Tee bringen lassen?»
Pauline drückte ihm rasch ihren Schal und den Mantel in die Arme. «Nein danke, Jakob, für mich nicht. Ich möchte gleich zu Bett gehen. Gute Nacht.» Schnell stieg sie die Treppe ins Obergeschoss hinauf.
In ihrem Zimmer angekommen, ließ sie sich kraftlos aufs Bett sinken und starrte eine geraume Weile vor sich hin. Sie vernahm leise Stimmen von unten, dann Julius’ Schritte. Auf dem oberen Treppenabsatz verharrten sie für einen Augenblick, bevor sie sich in Richtung seines Schlafzimmers im anderen Flügel des Hauses entfernten.
Stöhnend schlug Pauline die Hände vors Gesicht. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Sie hatte sich in ihren Arbeitgeber verliebt.
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Kapitel 16
«Gib mir sofort meine Puppe zurück!», schrie Ricarda und rannte mit gerafften Röcken die Treppe hinab, hinter Peter her. «Du machst sie kaputt!»
«Du bist eine blöde Ziege!», rief Peter und sauste auf flinken Beinen in den Salon.
«Gib sie wieder her!»
«Nein. Erst wenn du dich entschuldigst.»
«Im Leben nicht, du Nervensäge!»
Peter rannte um den Tisch herum und schwenkte die blonde Puppe, die Ricarda zum Heiligen Abend geschenkt bekommen hatte, durch die Luft. «Sag sofort, dass meine Zeichnung so gut ist wie deine!»
«Dann müsste ich ja lügen, du Blödian!» Ricarda stürzte sich auf Peter und erwischte ihn tatsächlich am Arm. Wild griff sie nach der Puppe. «Gib her, gib her!»
«Lass mich los!» Peter schlug nach seiner Schwester und versuchte, sie an den Haaren zu ziehen.
Pauline stand entsetzt in der Tür zum Salon. Mit wenigen Schritten war sie bei den Streithähnen und zog sie unsanft an den Ohren, bis sie voneinander abließen. Dann nahm sie das Objekt der Begierde an sich und blickte die beiden finster an. «Könnt ihr mir verraten, was hier los ist?»
Beide Kinder sprudelten gleichzeitig los.
«Peter wollte meine Puppe kaputt machen!»
«Ricarda hat über mich gelacht und gesagt, ich wäre ein Dummkopf und meine Zeichnung für den Ofen.»
«Ist sie ja auch.»
«Ist sie nicht!»
Schon wollten die beiden wieder aufeinander losgehen. Pauline packte die Kinder erneut so fest an den Ohrläppchen, dass sie innehielten. «Jetzt reicht es aber, ihr zwei. Werdet ihr euch wohl zivilisiert benehmen!»
«Aber sie hat angefangen!»
«Und er hat …»
«Was soll das denn?», donnerte Julius dazwischen. Mit verschränkten Armen stand er in der Tür. «Irre ich mich, oder ist heute Weihnachten? Das Fest der Liebe und nicht des Herumplärrens. Also, was geht hier vor?»
Bevor die Kinder noch Luft holen konnten, erklärte Pauline kühl: «Nichts, womit Sie sich abgeben müssten, gnädiger Herr. Nur ein kleines
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