Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
bitte, gibt es das unter uns Frauen nicht immer?» Frieda lachte herzlich. «Kommen Sie in unser Wohnzimmer, dort ist es warm und behaglich. Das Wetter ist ja geradezu scheußlich. Regen und glatte Straßen. Und dann dieser eisige Wind. Aber Herr Reuther besitzt eine so komfortable Kutsche, nicht wahr? Andernfalls hätte ich Ihnen den Weg nicht zumuten wollen. Möchten Sie einen Kaffee trinken? Ja? Ich lasse gerne welchen kommen. Und etwas Gebäck? Unsere Perle, Annabella, wird uns welches bringen.»
Sogleich gab Frieda dem Dienstmädchen Anweisungen, das daraufhin geschäftig davoneilte. Die beiden Frauen betraten das Wohnzimmer der Oppenheims, das ganz von dunklen Eichenmöbeln beherrscht wurde. Die Stühle und Kanapees waren mit burgunderfarbenem Samt und Brokat bespannt, die Vorhänge in derselben Farbe bauschten sich in kunstvollen Falten und Raffungen um den Fenstern. Der runde Tisch in der Mitte des Raumes war mit feinem, weißem Porzellan für zwei Personen gedeckt.
«Wir haben auf dem Neujahrsball so nett geplaudert», fuhr Frieda heiter fort. «Da dachte ich, das müssen wir unbedingt wiederholen. Als mein Vater mir erzählte, er habe Herrn Reuther zu einem Geschäftsgespräch eingeladen, konnte ich der Versuchung einfach nicht widerstehen. Noch dazu, wo es Vormittag ist und Ihre Schützlinge in der Schule sind. Somit halte ich Sie auch nicht von Ihren Verpflichtungen ab.» Sie und Pauline setzten sich.
«Wissen Sie, man hört inzwischen nur noch Gutes von Peterchen und Ricarda. Unter Ihrer Anleitung scheinen die Kinder geradezu aufzublühen. Ganz zu schweigen von ihren Manieren. Ich bewundere Sie wirklich, liebe Pauline. Dass Sie diese Bürde auf sich genommen haben … Nun ja, eine Stellung im Hause Reuther ist es sicherlich wert, aber dennoch!»
«Ach nein, liebe Frieda.» Pauline lachte leise. «So schlimm sind die beiden gar nicht, nur ein wenig eigensinnig. Darin ähneln sie ihrem Vater. Und natürlich fehlten ihnen weibliche Zuwendung und Leitung. Ich bin wirklich sehr gerne bei Herrn Reuther angestellt.»
Frieda nickte ernst. «Ich würde gerne … Bitte halten Sie mich nicht für impertinent. Ich wüsste zu gerne, ob die Gerüchte über Herrn Reuther stimmen. Ist er wirklich so eigenbrötlerisch, wie man hört?»
«In gewisser Weise.» Verlegen spielte Pauline mit der Serviette neben ihrem Teller. Als sie sich dessen bewusst wurde, legte sie rasch die Hände in den Schoß. «Ich möchte ungern über meinen Arbeitgeber tratschen.»
«Aber natürlich nicht!», rief Frieda bestürzt auf. «Das möchte ich keinesfalls! Verzeihen Sie, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe. Ich bin einfach manchmal unerträglich neugierig. Aber seien Sie versichert, dass alles, was wir besprechen, in diesem Zimmer bleiben wird.»
«Danke.» Erleichtert lächelte Pauline.
«Vater spricht in den höchsten Tönen von Herrn Reuther, insbesondere in meiner Gegenwart. Selbstverständlich weiß ich, was er damit bezweckt.» Frieda errötete leicht. «Er sähe es sehr gerne, wenn Herr Reuther um meine Hand anhielte. Und eigentlich hätte auch ich nichts dagegen einzuwenden. Aber Sie wissen sicherlich, was hinter vorgehaltener Hand über ihn geredet wird.» Sie senkte die Stimme. «Dass er seine Frau schlecht behandelt und sie sich deshalb das Leben genommen habe. Nun ja, und dass eine neue Frau an seiner Seite es gewiss nicht leicht haben wird. Das bereitet mir doch einige Sorgen. Sie, liebe Pauline, sehen ihn jeden Tag und leben praktisch mit ihm Seite an Seite. Deshalb interessiere ich mich sehr für Ihre Meinung.»
«Nun, also …» Pauline suchte nach den rechten Worten. Die Vorstellung von Frieda als neue Frau Reuther bereitete ihr Unbehagen, obgleich die beiden ein hübsches Paar abgeben würden. Dummerweise spielten Paulines eigene Gefühle ihr einen unangemessenen Streich, doch sie unterdrückte sie so gut es ging. «Wissen Sie, Frieda, es steht mir nicht zu, über die intimen Angelegenheiten meines Arbeitgebers zu sprechen. Aber so viel darf ich sicherlich sagen: Glauben Sie nicht alles, was geklatscht wird. Die Dinge sind meistens anders, als sie sich an der Oberfläche darstellen. Ich habe Herrn Reuther bisher stets als korrekten, ehrenwerten Mann erlebt. Er mag nicht der einfachste Mensch sein, das kann ich nicht leugnen. Das sind Charaktereigenschaften, die vielleicht nicht ganz leicht zu handhaben, jedoch keinesfalls gefährlicher Natur sind.»
Sichtlich erleichtert griff Frieda nach der Schale
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