Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
als der Tanz vorüber war und Julius sie zu den anderen zurückführte. Oppenheim klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. Julius sagte ein paar knappe Worte zu ihm und verschwand erneut in der Menge.
Pauline blieb keine Zeit, sich über sein Verhalten zu wundern, denn kaum hatte sie sich gesetzt, um ihren mittlerweile sehr müden Füßen ein wenig Ruhe zu gönnen, da gesellte sich erneut die strahlende Frieda zu ihr und legte ihr eine Hand auf den Arm.
«Meine liebe Freundin!», rief sie. «Sie werden es nicht glauben. Vater flüsterte mir gerade zu, dass es tatsächlich so weit ist. Julius wird mir schon morgen oder übermorgen einen Antrag machen. Warum nicht gleich hier, habe ich Papa gefragt. Er müsse zuvor noch ein winziges Detail klären, habe Julius gesagt. O Pauline, glauben Sie, er will mir vielleicht etwas schenken? Oder er will schon einen Ehering besorgen? Gar ein Familienerbstück für mich ändern lassen? Mutter meinte, nur so etwas könnte es sein, was einen Mann noch zurückhält, wenn er sich erst einmal entschieden hat. Was sagen Sie dazu? Sind Sie nicht ebenso glücklich wie ich? So lange haben wir darauf gewartet!» Erwartungsvoll hing Frieda an Paulines Lippen.
Pauline schluckte gleich zweimal und bemühte sich, den Aufruhr in ihrem Inneren unter Kontrolle zu bringen und ruhig zu atmen. «Natürlich … freue ich mich für Sie, liebe Frieda. Sie … werden … ganz bestimmt glücklich werden.» Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren unnatürlich angestrengt, doch Frieda schien das nicht wahrzunehmen. Hektisch fächelte sie sich mit der flachen Hand Luft zu. «Ich bin ja so aufgeregt! Wann wird er wohl bei uns vorsprechen? Bestimmt nicht vor morgen Nachmittag. Oder nein, er wartet sicher, bis die Fastnacht vorbei ist. Sie sagten mir ja, dass er kein Freund von großem Trubel ist. Und morgen wird noch einmal ein verrückter Tag in der Stadt. Also Mittwoch. Aschermittwoch – aber das soll mich nicht stören. Wir könnten Ostern heiraten. Was halten Sie davon? Da könnten wir auch mit dem Wetter Glück haben. Zumindest ist es dann nicht mehr ganz so kalt. Oh, wie ich hoffe, dass wir einen warmen, trockenen April bekommen!»
Pauline ließ den Wortschwall der Freundin über sich ergehen. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen und hoffte inständig, der Abend würde bald enden.
Das tat er dann auch erstaunlich schnell. Schon eine knappe halbe Stunde später kam Julius zurück und teilte ihr mit, dass er die Kutsche habe vorfahren lassen. Er müsse am folgenden Morgen sehr früh aus dem Haus, entschuldigte er sich bei der Gesellschaft.
Frieda ließ Pauline nicht ziehen, bevor sie sie nicht dreimal umarmt und an sich gedrückt hatte. «Liebe Freundin, ich werde Sie so bald wie möglich besuchen», versprach sie.
«Natürlich, gerne, wie Sie meinen.» Pauline lächelte ein wenig gequält, erwiderte die Umarmung jedoch mit ehrlicher Zuneigung. Dann ließ sie sich von Julius aus dem Saal führen.
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Kapitel 22
Auf der Fahrt zurück in die Löwengasse wechselten Pauline und Julius wieder kein einziges Wort. Einerseits war Pauline froh darüber, denn die Neuigkeiten, die sie gerade erfahren hatte, musste sie erst einmal verarbeiten. Andererseits ging ihr das Schweigen inzwischen auf die Nerven. Julius blickte angestrengt zum Fenster hinaus, als wolle er um jeden Preis selbst einen einfachen Blickkontakt vermeiden.
Am liebsten hätte sie ihn darauf angesprochen, doch sie wusste nicht, wie sie es anfangen sollte. Auch schickte es sich für sie nicht, sich in die Angelegenheiten ihres Arbeitgebers einzumischen, ganz gleich, wie oft er sie in der Vergangenheit dazu aufgefordert hatte, genau dies zu tun.
Als sie zu Hause angekommen waren, ging Pauline mit einem knappen Gute-Nacht-Gruß hinauf in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Tief atmend lehnte sie sich dagegen und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, blickte sie sich ratlos um. Der Raum wurde nur von der kleinen Lampe erhellt, die einer der Dienstboten – vermutlich Kathrin – für sie angezündet hatte.
Wie sollte es nun weitergehen? Erst jetzt, in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers, gestattete Pauline sich ihre aufgewühlten Gefühle. Sie hatte so viel Zeit und Mühe darin investiert, ihre Freundin Frieda davon zu überzeugen, dass Julius der richtige Mann für sie sei. Gleichzeitig zu wissen, dass sie selbst am meisten leiden würde, wenn diese Ehe erst einmal vollzogen war, tat ihr in der
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