Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
dass es ihr vorkam, als sei es in einem anderen Leben gewesen.
Friedas Eltern hatten sich zu einer Familie am Nebentisch gesellt, sodass nur sie und Frieda beisammensaßen und sich die Köstlichkeiten schmecken ließen, die das Festkomittee hatte auffahren lassen. Es gab am Spieß gebratene Schweine, gegrilltes Geflügel, Salate und raffinierte Kreationen aus Gemüse und Fisch. Auch die Cremes und anderen süßen Speisen, das Obst und die bunten Gelees forderten geradezu zur Völlerei auf. Diener in farbenfrohen Livreen gingen zwischen den Tischen umher und schenkten den Gästen großzügig Wein, Bier und andere Getränke ein.
Da immer mehr Menschen zu den Buffets drängten, legte nun auch die Musik eine Pause ein, wodurch der Geräuschpegel sich zwar etwas senkte, das summende Stimmengewirr jedoch umso deutlicher hervortrat.
«Was für ein herrliches Fest, nicht wahr, liebe Pauline?», sagte Frieda in aufgekratztem Ton. «So ein buntes Treiben gibt es nur zu Karneval. Aber passen Sie bloß auf sich auf, und lassen Sie sich nicht zu fortgeschrittener Stunde von einem der Kavaliere dazu überreden, ihn an die frische Luft zu begleiten. Ich fürchte, einige Männer sind bereits mehr als angeheitert. Mutter hat mich sehr deutlich gewarnt. Denn so lustig der Abend auch sein mag – wir dürfen nicht unsere Tugend in Gefahr bringen.»
«Wie recht Sie haben.» Pauline trank einen Schluck Wein. Tatsächlich hatte sie bereits den einen oder anderen unschicklichen Antrag erhalten, über den sie einfach hinweggegangen war. Zum Glück waren die jeweiligen Herren klug genug gewesen, es dabei bewenden zu lassen.
«Julius hat zwei Tänze hintereinander mit mir getanzt», schwärmte Frieda weiter. «Und dann noch mit Christine Stein. Sehen Sie, dort drüben an dem Tisch am Fenster? Die Dame in Flieder? Das ist Christine. Ich habe vorhin ein paar Minuten sehr nett mit ihr geplaudert. Ihre Hochzeit steht kurz bevor, deshalb hat sie kaum noch Zeit für mich. Nun ja, so eng wie mit Ihnen, liebe Pauline, waren wir eh nie befreundet. Aber ich kann natürlich verstehen, dass sie jetzt andere Dinge im Kopf hat. Mir wird es gewiss nicht anders gehen, sobald … Ich hoffe, Sie werden mir das dann nicht übel nehmen?»
«Aber natürlich nicht», antwortete Pauline pflichtschuldig. Vermutlich würde sie sogar froh sein, nicht zu viel von Friedas Hochzeitsplänen mitzubekommen. Sie stocherte in den köstlichen Speisen auf ihrem Teller herum und seufzte innerlich. Niemals hätte sie gedacht, dass es so schwer sein würde, eine gute Freundin glücklich zu sehen. Wenn der Grund für Friedas Glück nicht ausgerechnet Julius Reuther gewesen wäre! Sie musste vernünftig sein und den beiden das Beste wünschen.
«Wer war denn der Herr im Harlekinkostüm, mit dem ich sie vorhin zwei oder drei Tänze lang zusammen gesehen habe?», wechselte sie schließlich das Thema.
Frieda lächelte, und obgleich sie ihre Maske trug, hatte Pauline den Eindruck, eine leichte Verlegenheit in dem Gesicht der Freundin wahrzunehmen. «Das war der Sohn des Apothekers Burka vom Alter Markt. Ferdinand ist sein Name. Ein sehr netter junger Mann. Wir kennen uns schon lange, denn er war mit meinem ältesten Bruder zusammen in der Schule und damals recht oft bei uns zu Gast.» Sie senkte vertraulich die Stimme und neigte sich zu Pauline herüber. «Ich muss zugeben, damals war ich sogar ziemlich verliebt in ihn. Er sieht gut aus, ist sehr gebildet und, wie gesagt, sehr liebenswürdig. Wenn mein Bruder mich geärgert hat, stand mir Ferdinand immer zur Seite und hat mich verteidigt.» Sie lachte. «Natürlich gehört er nicht zu den höheren Kreisen Kölns, aber seine Familie betreibt die Apotheke schon seit fast fünfhundert Jahren. Ja, wirklich, stellen Sie sich das mal vor. Und angeblich soll einer der ersten Inhaber sogar eine Frau gewesen sein, die dann die Apotheke an ihren Sohn und ihre Tochter vererbt hat. Nun ja, wie gesagt, die Burkas sind nicht das, was meine Eltern einen passenden Umgang für eine höhere Tochter wie mich halten. Zumindest nicht … Sie wissen schon.»
«Natürlich.» Pauline nickte. «Ihre Eltern haben andere Pläne mit Ihnen, wie man sieht.»
«Ganz genau.» Frieda nickte. «Aber ich war ja auch erst sechzehn. Da schwärmt man gerne mal für einen hübschen jungen Mann, nicht wahr? Ferdinand ging dann für einige Jahre fort, wohl, um zu studieren und das Apothekerhandwerk zu lernen. Seit drei Jahren arbeitet er nun Seite an Seite mit
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