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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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weit es auf dem Kanapee ging.
    Julius verfluchte sein unbedachtes Tun und verschränkte die Arme vor der Brust. «Verzeihen Sie, dass ich Sie geweckt habe, Fräulein Schmitz. Sollten Sie sich nicht längst um das Abendessen kümmern?»
    Erschrocken blickte Pauline in Richtung der Pendeluhr. Als sie sah, wie lange sie geschlafen hatte, errötete sie und stand hastig auf. «Es tut mir leid. So etwas ist mir noch nie passiert. Ich muss … Ich habe … Es tut mir leid.»
    Julius unterdrückte das Lächeln, das sich auf seine Lippen stehlen wollte. «Schon gut, schon gut. Ich reiße Ihnen nicht den Kopf ab. Was haben Sie denn da gelesen?» Er hob das Buch auf und studierte den Titel. «Kein Wunder, dass Sie eingeschlafen sind», befand er. «Etwas Anregenderes haben Sie hier nicht gefunden?»
    Pauline wandte sichtlich verlegen den Blick ab. «Ich habe nicht nach etwas Anregendem gesucht, gnädiger Herr. Die Flora und Fauna des afrikanischen Kontinents ist sehr interessant.»
    «Vermutlich ist sie das. Nun gehen Sie wieder an Ihre Arbeit, Fräulein Schmitz. Nicht auszudenken, wenn die Kinder Sie beim Müßiggang entdeckt hätten.»
    «Ich weiß. Ich muss mich noch einmal bei Ihnen entschul…»
    «Das war ein Scherz, Pauline!» Julius schüttelte den Kopf über ihre unterwürfige Haltung. So kraftlos gefiel sie ihm gar nicht. Er legte das Buch auf einen Sessel. «Ihr Humor lässt heute sehr zu wünschen übrig.» Ohne auf ihre Reaktion zu achten, wandte er sich zur Tür, warf ihr über die Schulter aber noch einen Blick zu. «Ich wünsche Sie heute Abend unter vier Augen zu sprechen, sobald die Kinder im Bett sind.» Damit verließ er den Raum, um Pauline Zeit zu geben, sich wieder etwas zu sammeln.
    ***
    Als er die Bibliothek verlassen hatte, presste Pauline eine Hand auf ihr rasendes Herz. Sie hatte geträumt, dass er ihr Gesicht liebkoste. Als sie von seiner Berührung aufgewacht war, hätte sie erschrockener nicht sein können. Es war geradezu, als wäre der Traum Wirklichkeit geworden. Sie wusste nicht, was schlimmer war – dass er sie auf so zärtliche Art geweckt hatte oder dass sie überhaupt während ihrer Arbeitszeit eingeschlafen war. Sie schämte sich; mehr noch machte sie sich Vorwürfe, weil sie sich für einen Moment gewünscht hatte, er wäre nicht vor ihr zurückgewichen – oder sie vor ihm.
    Nur mit Mühe beruhigte sie ihre aufgewühlten Nerven und machte sich schließlich mit zittrigen Knien auf den Weg ins Speisezimmer, wo Kathrin bereits den Tisch gedeckt hatte. Sie überprüfte jedes einzelne Gedeck, doch das Dienstmädchen hatte sich große Mühe gegeben; es gab nichts an ihrer Arbeit auszusetzen. Pauline ging hinauf, um die Kinder zum Essen zu holen.
    Die Mahlzeit verlief ruhig und gesittet. Julius erkundigte sich höflich und durchaus interessiert bei seinen Kindern nach deren Lernfortschritten und den Ereignissen des Tages. Er ließ die beiden den Großteil der Unterhaltung führen. Pauline war sich nicht sicher, ob er das mit Absicht tat, um ihr etwas Luft zu verschaffen. Natürlich hatte er gemerkt, dass er sie erschreckt hatte. Zwar vermutete er wahrscheinlich hinter ihrer Reaktion einen anderen Hintergrund als den, der ihr wirklich auf der Seele lag, doch fand sie seine plötzliche Zurückhaltung ungewöhnlich. Er war kein Mann, der ein Blatt vor den Mund nahm. Vielleicht wollte er auch einfach die Kinder nicht in ihre Querelen hineinziehen.
    Obwohl im Grunde nichts zwischen ihnen vorgefallen war. Pauline wusste nicht, wann diese unangenehme Distanziertheit angefangen hatte und woher sie rührte. Und falls sie es doch wusste, versuchte sie standhaft, den Grund zu ignorieren – zu ihrem Besten ebenso wie zu seinem.
    Nach dem Abendessen zog sich Julius in sein Arbeitszimmer zurück; Pauline ging mit den Kindern in den Salon, um noch ein wenig mit ihnen zu singen. Sie hatte Ricarda inzwischen ein einfaches Lied auf dem Pianoforte beigebracht und ließ es das Mädchen zur Übung zweimal spielen. Peter klimperte ebenfalls ein wenig auf dem Instrument.
    Pauline hatte bei dem Jungen eine große Begeisterung für Musik festgestellt und hoffte, diese weiter fördern zu können. Deshalb zeigte sie ihm geduldig, wie er die Tasten anzuschlagen hatte, und freute sich mit ihm, als er die erste kurze Melodie hervorbrachte.
    «Sehr schön», lobte sie. «Das machst du schon ausgezeichnet. Wenn du so weitermachst, kannst du zu Ostern vielleicht schon ein kleines Duett mit deiner Schwester

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