Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Gefühle erwiderte …
Julius starrte auf sein Bett. Was dann? Er hatte keine Wahl, oder? Selbst wenn sie in eine Ehe mit ihm einwilligen würde, wäre das für ihn finanzieller Selbstmord.
Verzweifelt raufte er sich die Haare und setzte sich auf die Bettkante. Er wollte sie nicht verlieren, so viel war sicher. Und er wollte – musste – herausfinden, ob Pauline etwas für ihn empfand.
Julius wusste, dass er ein elender Dummkopf war. Liebe war noch nie das ausschlaggebende Kriterium gewesen, wenn es darum ging, eine passende Ehefrau zu finden. Schon gar nicht, wenn einem das Wasser bis zum Hals stand. Leider ließ sich sein Herz aber in dieser Angelegenheit auf keine Debatten ein. Obwohl die Frau seiner Wahl mit allen Mitteln versuchte, ihn mit ihrer besten Freundin zu verkuppeln. Womit sie im Grunde recht tat, denn damit bewies sie eindeutig mehr Verstand als er.
Fluchend schob sich Julius unter seine Decke. Es war einfach zum Verrücktwerden mit diesem Frauenzimmer. Nein, schlimmer: Er war verrückt nach ihr!
***
Den Dienstag verbrachte Pauline hauptsächlich damit, den Kindern Unterricht zu geben. Wegen des Karnevals fiel die Schule aus, doch Pauline sah nicht ein, weshalb die beiden deshalb müßig herumsitzen sollten. Ricarda hatte ihre Schullektionen inzwischen weitgehend aufgeholt, doch Peter brauchte weiterhin aufmerksame Betreuung, um in seiner Klasse mitzukommen. Erst am späten Nachmittag erlaubte sie den Kindern, sich die Zeit mit Spielen oder Lesen zu vertreiben. Hinausgehen konnten sie leider nicht, da es seit dem frühen Morgen regnete.
Nachdem Ricarda und Peter in ihren Zimmern verschwunden waren, sammelte Pauline die Bücher ein, die über den Wohnzimmertisch verteilt lagen, und trug sie hinüber in die Bibliothek. Dabei wanderten ihre Gedanken unwillkürlich zu Julius. Er war schon vor dem Frühstück aus dem Haus gegangen, sodass sie ihn heute noch nicht gesehen hatte. Zu gerne hätte sie gewusst, was in ihm vorging und wie die Dinge um seine Fabrik standen. Halt , ermahnte sie sich. Solche Fragen führen zu nichts! Es war offensichtlich, dass er sie nicht einbeziehen wollte und sich von ihr distanzierte. Das war wichtig, damit es zwischen ihnen und vor allem Frieda nicht zu Missverständnissen kommen konnte.
Entschlossen, ihre Gedanken auf ein anderes Thema zu lenken, suchte Pauline nach einem Buch, dessen Inhalt sie so beschäftigen würde, dass in ihrem Kopf für nichts anderes mehr Platz blieb. Sie entschied sich für eine Abhandlung über die Flora und Fauna Afrikas. Das Thema war interessant, würde sie aber in keiner Weise emotional einnehmen. Außerdem konnte sie vielleicht daraus Ideen für neue Unterrichtslektionen gewinnen.
Da Jakob die Kerzen im Kronleuchter der Bibliothek entzündet hatte, für den Fall, dass Julius sich bei seiner Heimkehr hierher zurückziehen wollte, setzte sie sich auf das Kanapee. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie etwas mehr als eine halbe Stunde hatte, bis sie sich um die Vorbereitungen für das Abendessen kümmern musste.
Sie gestattete sich, ein wenig in die weichen Kissen zurückzusinken, und blätterte in dem Buch, bis sie eine Stelle fand, die sie fesselte. Das Lesen ermüdete sie jedoch schnell, denn sie hatte in der vergangenen Nacht nur wenig Schlaf bekommen. Zwar war sie bemüht gewesen, rasch einzuschlafen, gelungen war es ihr aber erst gegen drei Uhr in der Frühe.
Pauline schlüpfte aus ihren Schuhen und erlaubte sich, die Beine kurz hochzulegen. Nur für einen Augenblick , versprach sie sich. Sie las über Löwen und andere Raubkatzen, über Elefanten und weitere Bewohner des fernen Kontinents Afrika und bemerkte kaum, dass ihr immer wieder die Augen zufielen. Schon bald sank ihr Kopf gegen die Armlehne und das Buch auf ihre Brust.
So fand Julius sie, als er eine knappe Stunde später die Bibliothek betrat. Der Anblick der friedlich schlafenden Frau auf seinem Kanapee schnürte ihm für einen Moment die Kehle zu. Unfähig, den Blick von ihr abzuwenden, trat er neben sie und betrachtete ihr Gesicht. Die feinen Züge, umrahmt von einigen Haarsträhnen, die sich anmutig um ihre Wangen schmiegten, wirkten entspannt und verführerisch. Ehe er wusste, was er tat, strich er mit den Fingerspitzen die zarte Linie ihrer Wange entlang.
Langsam öffnete Pauline die Augen. Als sie ihn sah, schrak sie auf und fuhr hoch. Das Buch fiel mit einem dumpfen Aufschlag zu Boden.
«Was tun Sie da?», rief sie erstickt und wich vor ihm zurück, so
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