Das Haus in Georgetown
Vizepräsidenten wollte einen Obstsalat auf dem Kopf haben.“
Remy kicherte, ein Klang, den Faith seit Monaten nicht mehr gehört hatte. „Also musste Violet bei ihrem ersten eigenen Hut gleich einen Obstsalat gestalten?“
„Genau. Nur war sie übereifrig. Ihre Mutter hatte eine große Auswahl an Wachsfrüchten bestellt, und Violet konnte sich nicht entscheiden. Als sie fertig war, war der Hut so schwer, dass die Krempe ihre Last nicht tragen konnte. Als die Dame zur Anprobe kam, knickte der Hut ein, und das Obst kullerte ihr in den Schoß und der armen Violet über die Füße.“
„Oh nein!“ Remy prustete los. „Das war ihr bestimmt superpeinlich.“
Lydia lächelte, zufrieden mit ihrem Erfolg. „Natürlich ist Violet in Tränen ausgebrochen, aber nach dem ersten Schreck hat die Frau einfach gelacht. Sie lachte noch immer, als sie den Laden verließ, aber erst nachdem sie Violet erklärt hatte, dass sie morgen zur nächsten Anprobe wiederkäme und dann gerne eine Kinderportion Obstsalat hätte.“
„Das ist herrlich.“ Faith freute sich, dass ihre Mutter sich an diese Anekdote erinnerte. Nach einer kleinen Recherche über die Gattinnen der Vizepräsidenten konnte sie das in die Geschichte des Hauses aufnehmen. „Und wurde der Hut rechtzeitig fertig und Candace wieder gesund?“
„Candace lebte noch etwa zwanzig Jahre. Und der Hut war ein Erfolg, obwohl Violet behauptete, die Besitzerin hätte sich an den Bienen gestört, die ihn immer umschwirrten.“
Wieder lachten sie, und danach breitete sich eine wohlige Stille im Zimmer aus. Faith brach das Schweigen erst, als Alex herumzuzappeln begann. „Ich habe etwas über die Garten-Tour herausgefunden.“
Lydia schmiegte sich tiefer in ihren Sessel. „Gut, erzähl es uns. Mir ist jeder Grund recht, nicht wieder in den Regen hinaus zu müssen.“
„ Dich hat niemand gewählt. Lass Dad zur Abwechslung mal allein seine Brötchen verdienen.“
Lydia lächelte dünn. „Das klingt gut.“
„Du hattest Recht mit der Führung. Ich habe zwei kurze Notizen in alten Zeitungen aus Georgetown gefunden und eine Erwähnung in der ,Post‘.“
„Mir war nicht klar, dass du dir so viel Mühe machen würdest.“
Faith ruderte zurück. „Ich musste nur einmal in die Bibliothek gehen. An einem Tag im April 1941 ist ein beträchtlicher Prozentsatz der Einwohner von Washington D.C. durch unser Haus marschiert, die Stufen zum Keller hinunter und raus in den Garten.“
„Nur um das Grundstück von irgendwem zu besichtigen?“ Remy fiel es schwer, das zu glauben.
Lydia versuchte, es ihrer Enkelin zu erklären. „Das muss ein unheimliche Ehre gewesen sein. Meine Großmutter war eine einfache Frau, die von einfachen Arbeitern abstammte. Allerdings war ihre Liebe zu meinem Großvater ziemlich außergewöhnlich.“
Da Remy Interesse signalisierte, fuhr Lydia fort: „Stell dir mal vor: Violet, die keinen Vater, keine Brüder und sehr wenig Umgang mit Männern hat, geht eines Morgens, als sie erst siebzehn ist, zum Hutmacherladen, um aufzuschließen. Kaum steht sie hinter demTresen, betritt dieser unglaublich attraktive Mann den Laden – mit einer ebenso attraktiven Frau am Arm.“
Remy beugte sich vor. „Woher weißt du, dass er so toll ausgeschaut hat?“
„Ich habe Fotos gesehen. Wahrscheinlich habe ich sie noch in irgendeiner Kiste.“
„Welch ein Jammer! Du solltest sie hervorholen, Mutter!“ schimpfte Faith.
Lydia winkte ab. „Ich werde sie suchen und dir geben. Neben der Treppe würden sie sich gut machen, nicht? Wie auch immer, der schöne Mann war gekommen, um für seine Verlobte, eine Frau aus einer der besten Familien von Georgetown, einen Hut zu kaufen. Er hieß James Atkins, war Gelehrter und Lehrer und zu dieser Zeit bereits für seine Lincoln-Biografie bekannt. Seine Reaktion auf den Anblick meiner Großmutter war allerdings recht unakademisch. Er verliebte sich stehenden Fußes in sie, löste seine Verlobung und heiratete Violet sechs Monate später. Ein richtiger Skandal.“
„Der Teil ist langweilig“, befand Alex.
Lydia tätschelte sein Knie. „In Ordnung, dann überspringen wir das und kommen zu den Heldentaten. Weißt du irgendwas über den Ersten Weltkrieg?“
„Er kam vor dem Zweiten Weltkrieg.“
„Brillant“, meinte Remy. „Und mir hat der andere Teil gefallen.“
Lydia warf ihr ein Lächeln zu. „James, mein Großvater, hat sich freiwillig gemeldet und wollte auch nicht in der Verwaltung eingesetzt werden.
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