Das Haus in Georgetown
Lydia herein. „Was tust du da draußen in dieser Waschküche?“ Sie ließ ihrer Mutter keine Zeit zu antworten. „Alex“, rief Faith, „komm, stell den Schirm deiner Großmutter in der Gästetoilette ins Waschbecken.“
Er führte den Auftrag aus und handelte sich dafür eine kurze, feuchte Umarmung ein. Auf der Treppe murmelte Remy einen missmutigen Gruß. Sie war offenkundig der Meinung, dass sich die Lage durch Lydias Eintreffen nicht gerade gebessert hatte. Faith musste dem zustimmen. Ein paar Minuten lang hatte sie wieder das Gefühl gehabt, dass sie und die Kinder eine richtige Familie waren.
„Da ist eine Kaltfront, die sich auf dem Weg zu uns befindet. Es wird die ganze Woche schütten.“ Lydia reichte Faith ihren Regenmantel und streifte ihre Ferragamo-Pumps ab, als wären sie irgendwelche Billigschuhe. Sie trug einen eleganten grünen Strick-Zweiteiler mit einer dezenten Perlstickerei am Halsausschnitt.
Faith hängte den Regenmantel in die Garderobe. „Du hast dich so schick gemacht. Bist du auf dem Weg zu einer Party?“
„Ich bin gerade von einer Wahlkampfparty geflohen , drüben in der Dumbarton Street. Die langweiligste Veranstaltung, die ich je besucht habe. Dein Vater ist noch da, um weitere Unterstützung für seine Berufung in den Finanzausschuss zu gewinnen.“
„Du hast dich davongestohlen?“
Lydia lächelte. „Als die Lichter ausgingen, habe ich die Gelegenheit genutzt, um zu verschwinden. Der Gastgeberin habe ich erzählt, dass ich nachschauen muss, ob mit dir und den Kindern alles in Ordnung ist. Ich möchte so ein Unwetter lieber im Familienkreis durchstehen.“
Faith war überrascht und gerührt. „Weiß Dad, dass du hier bist?“
„Er geht davon aus, dass ich die eine Hälfte der Gäste abklappere, während er sich der anderen widmet. Wir laufen uns selten über den Weg. Vielleicht bemerkt er gar nicht, dass ich weg bin.“
Das bezweifelte Faith. Joe Huston entging nichts.
„Und wobei habe ich euch unterbrochen?“ Lydia klang wirklich neugierig.
Faith führte ihre Mutter zum bequemsten Sessel im Wohnzimmer. „Wir haben gerade über Candace Wheelwright gesprochen. Ich habe den Kindern von ihrer Arbeit als Hutmacherin berichtet.“
Faith rechnete damit, dass Lydia – wie fast immer, wenn es um die Vergangenheit ging – das Thema wechselte, aber ihre Mutter tat nichts dergleichen. Stattdessen fragte sie: „Wie hast du denn das in Erfahrung gebracht?“
Jetzt hatte Faith ein Problem. Schließlich wollte sie ihrer Mutter nichts von ihren Nachforschungen verraten, denn das sollte eine Überraschung werden. Sie entschied sich deshalb für eineHalbwahrheit. „Ich habe mich nach der Gartenführung erkundigt, die du erwähnt hast.“
„Meine Großmutter hat mir von den Hüten erzählt, bei deren Anfertigung sie ihrer Mutter geholfen hat.“
„Kannst du dich daran erinnern?“
Lydia setzte sich auf die gleiche Art hin wie Faith, die auf dem Sofa Platz genommen hatte. Im Kerzenlicht sah die ältere Dame jünger aus. Vielleicht lag es auch nur daran, dass sie wirkte, als fühle sie sich hier wohl – als gehöre sie wirklich hierher. „An eine Sache entsinne ich mich.“
„Mom hat gesagt, sie haben echte Vögel auf die Hüte geklebt.“ Über diese Skrupellosigkeit war Alex noch immer nicht hinweggekommen.
„Mag sein, aber ich kann dir nur von Früchten berichten. Meine Großmutter war etwa so alt wie du, Remy, als ihre Mutter einmal krank wurde. Dummerweise hatte die Gemahlin des Vizepräsidenten bei Candace einen Hut in Auftrag gegeben.“
„Wer war damals Vizepräsident?“ Einen Augenblick lang schien Remy ihre Grantigkeit vergessen zu haben.
„Weiß der Himmel. Wir müssten das nachschlagen. War McKinley nicht damals Präsident?“
„Mit dem Computer könnte ich das ruck, zuck herausfinden“, meinte Alex. „Wenn wir Strom hätten.“
Faith war sich bewusst, dass sie Zeugin eines höchst ungewöhnlichen Vorgangs wurde. Ihre Mutter hatte sich wie ein ganz normales Familienmitglied in ihren Kreis eingefügt. Statt das Gespräch zu stören, bereicherte sie es. „Und was hat Candace getan?“ fragte Faith.
„Sie hat meiner Großmutter gesagt, dass sie den Hut fertig stellen müsse. Die Gattin des Vizepräsidentin wollte ihn auf einemGartenfest tragen, das anlässlich irgendeines Handelsabkommens mit Südamerika gegeben wurde. An die Einzelheiten erinnere ich mich nicht. Ich weiß nur, dass Bananen eine Rolle spielten, denn die Gattin des
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