Das Haus in Georgetown
zwar, dass dieser Supermarkt als „Kontaktbörse“ galt, da hier viele junge Singles einkauften, aber dass sie selbst einmal davon profitieren würde, hätte sie niemals für möglich gehalten.
Schnell riss sie sich zusammen. „Natürlich, Pete.“ Sie fragte sich, ob er mit ihr über seine Frau reden wollte. Ob er vermutete, dass gerade sie seinen Schmerz verstehen würde.
Er hatte bereits seinen Palm Pilot gezückt. „Wie erreiche ich dich?“
Sie nannte ihm die neue Telefonnummer und meinte: „Jetzt muss ich aber los. Alex wartet. Er hat derzeit dauernd Hunger.“
Pete, der zwei erwachsene Töchter hatte, nickte wissend. „Hör mal, am Freitagabend gibt die französische Botschaft eine Cocktailparty. Ich weiß, dass das etwas kurzfristig ist, aber meine Schwester, die mich begleiten wollte, ist am Freitag nun doch nichtin Washington. Möchtest du nicht mitkommen? Wir müssen nicht lange bleiben; danach können wir in ein Restaurant gehen.“
Als sie zögerte, machte er einen weiteren Schritt auf sie zu. „Bitte sag Ja.“
„Also gut, ja.“
Er strahlte. „Gut. Wegen der Uhrzeit ruf ich dich noch an.“ Ein wenig benommen verabschiedete sie sich von ihm und ging weiter. Erst nach einer halben Regalreihe begriff sie wirklich, was geschehen war: Pete Conley hatte sie um ein Date gebeten, und sie hatte zugesagt. Pete war ein Freund, sie kannten sich seit Jahren. Sie sprang für seine Schwester ein, weiter nichts. Wirklich nichts? Ihr Selbstbewusstsein mochte an einem seidenen Faden hängen, aber sie hatte noch alle Sinne beisammen. Er schien an ihr interessiert zu sein, nicht an einer beliebigen Ersatzbegleiterin. An ihr, trotz des strähnigen Haars, des ungeschminkten Gesichts und der Jeans, die im Moment nicht besonders gut saßen.
Spannender war die Frage, warum sie eingewilligt hatte. Die Gründe lagen auf der Hand. Erstens war sie noch nicht tot: ein gutes Zeichen. Zweitens würde sie so vielleicht herausfinden, ob ihre Reaktion auf Pavel Quinn etwas Besonderes war. Drittens bot ihr die Cocktailparty Gelegenheit, sich erhobenen Hauptes in ihren alten Kreisen blicken zu lassen.
Viertens konnten ihr diese Kontakte womöglich beim Berufseinstieg nützlich sein. Es wurde Zeit, dass sich in der Hauptstadt herumsprach, dass sie mehr war als David Bronsons Exfrau und Joe Hustons Tochter – dass man sie gerade deshalb bedenkenlos engagieren konnte, weil sie eine Enttäuschung überwunden hatte und gestärkt daraus hervorgegangen war.
Faith stand im Gang mit den Milchprodukten, und ihr fiel auf, dass sie lächelte.
Bei Omelett, englischen Muffins und – zur Feier des Tages – Traubensaft schlug Faith ihrer Tochter einen Einkaufsbummel vor. „Ich bin zu einer Party in der französischen Botschaft eingeladen und will am Freitag ein Kleid kaufen. Kommst du mit?“ Alex und Remy hatten an dem Tag frei.
Die Kinder schwiegen; dass ihre Mutter zu einem Fest eingeladen war, konnten sie offenbar kaum fassen. Dann verzog Remy das Gesicht. „Du hast doch einen ganzen Schrank voll mit Kleidern. Trag eins von denen. Sie sehen sowieso alle so ziemlich genauso aus wie jedes andere, das du kaufen würdest.“
„Was für eine charmante Würdigung meines Geschmacks.“
„Geschmack? Du ziehst dich an wie eine alte Tante. Billies Mom trägt engere Shorts als ich .“
„Ich glaube nicht, dass heiße Shorts beim Botschaftsempfang das Richtige wären.“
„Haa-haa.“
Faith versuchte es noch einmal. „Remy, du könntest auch ein paar neue Sachen gebrauchen. Und zu zweit macht es mehr Spaß.“
Alex redete mit vollem Mund. „Und warum fragt mich keiner?“
„Weil du ein Junge bist“, erwiderte Remy. „Er kommt doch nicht mit, oder, Mom?“
Das klang schon besser. Die Rivalität zwischen ihren Kindern war eine der wenigen Konstanten in Faith’ Leben, auf die man sich wirklich verlassen konnte. „Nicht weil du ein Junge bist, Alex. Sondern weil du es hasst, Klamotten zu kaufen. Außerdem hast du am Freitag eine Verabredung mit deinem Dad.“
„Ach ja.“ Er war besänftigt.
„Also, was meinst du?“ fragte Faith Remy. „Die Party ist Freitagabend. Sollen wir am Nachmittag shoppen gehen?“
„Ich habe ja sonst nichts zu tun.“Bis zum Freitag hatte Faith bereits ein Dutzend Mal bereut, dass sie Pete zugesagt hatte. Förmliche Empfänge hatte sie noch nie gemocht. Gut, einige der besten Leute des Landes waren Politiker, aber bei solchen Partys hatte sie immer das Gefühl, in einen Schwarm
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