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Das Haus in Georgetown

Das Haus in Georgetown

Titel: Das Haus in Georgetown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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wand sich vorsichtig durch eine Lücke im Gebüsch und stieg über die Überreste eines Natursteinmäuerchens. „Tot ist das richtige Wort.“
    „Traurig. Trostlos.“
    „Transsibirisch.“ Dottie Lee nickte. „Total trübselig.“
    Faith lachte. „Sie entsinnen sich nicht zufällig an irgendwelche Pflanzen?“
    „Meine Liebe, dieser Garten steht mir so klar vor Augen wie ein Sommertag. Ein Sommertag in einer kühleren Stadt natürlich, nicht hier in Georgetown, wo die Hitze alles verschwimmen lässt.“
    Selbst wenn ihr Leben davon abgehangen hätte, wäre Faith nicht in der Lage gewesen, ihren Garten in McLean genau zu beschreiben. Dottie Lee hatte ein erstaunliches Gedächtnis.
    Den Tonnenmann zog es in den hinteren Teil des Gartens. „Komm mit, Junge. Der Efeu wartet.“
    Faith sah den beiden nach, als sie davonliefen. Das Gelände war abschüssig, und man konnte noch Überreste einer geschickten Terrassierung erkennen. Nur auf der untersten Stufe wuchertenoch Unkraut. Sie schaute zu, wie sie sich schwere Handschuhe überzogen. Bisher hatten sie es geschafft, jeden Hautkontakt mit Giftsumach zu vermeiden.
    „Ich hole einen Stift und eine Unterlage“, sagte Faith. „Warten Sie so lange hier? Ich möchte Sie bitten aufzuzeichnen, woran Sie sich erinnern.“
    Dottie Lee war noch da, als Faith zurückkam. Im Haus hatte Faith schnell bei Billie angerufen, aber niemand war an den Apparat gegangen. Am Morgen hatte Remy gefragt, ob sie nach der Schule Billie besuchen durfte, und Faith hatte es erlaubt, aber inzwischen hatten sich die Spielregeln geändert.
    Dottie Lee blickte zu den beiden Männern hinüber. „Ich glaube, sie machen gleich eine Entdeckung.“
    „Ich weiß nicht, ob ich noch eine Überraschung verdauen kann“, meinte Faith.
    „Bei Ihnen klingelt es an der Tür.“
    Jetzt hörte Faith es auch. „Tut mir Leid. Ich bin gleich wieder da. Warten Sie noch einmal?“ „Ich laufe nicht davon.“
    Faith eilte die Stufen hinauf. Pavel war schon wieder auf dem Weg zum Bürgersteig, als sie, vor Anstrengung keuchend, die Tür aufriss. „Hallo! Ich war hinten im Garten.“
    Er kehrte zurück. Sie bemerkte, dass seine Augen aufleuchteten, und spürte, wie ihr ganzer Körper reagierte. „Ich dachte schon, du wärst nicht da“, sagte er.
    „Ich? Ich bin immer da.“
    „Nicht am Freitagabend.“
    Sie war überrascht. „Woher weißt du das?“
    „Ich bin hier gewesen. Alex hat wohl vergessen, dir das zu erzählen. Er hat aber nicht vergessen, mich darüber zu informieren,dass du ein Date hattest.“ Er wirkte nicht eifersüchtig, aber doch ein wenig enttäuscht.
    „Ich habe einen alten Freund zu einem Empfang in der französischen Botschaft begleitet“, erklärte sie ihm.
    „Dein Haar sieht toll aus.“
    Reflexartig hob sie die Hand und fuhr sich mit den Fingern über den Kopf. „Danke.“
    „Ich wollte mich erkundigen, ob ich dich und die Kinder heute Abend zum Spaghetti-Essen einladen darf.“
    „Das geht nicht. Ich muss mir Remy zur Brust nehmen. Danach wird keiner von uns noch Lust zum Essen haben.“
    Er stand jetzt auf dem Treppenabsatz, und sie bat ihn herein. Seine Nähe war angenehm aufregend.
    „Ärger? Willst du mit mir darüber reden?“
    Einen Moment lang wusste sie nicht, was er meinte. Dann fiel ihr wieder ein, dass es um Remy ging. „Du möchtest das sicher nicht hören.“ Als sie an ihm vorbeigehen wollte, griff er mit seiner großen Hand nach ihrem Arm und hielt sie fest.
    „Versuch’s.“
    Seine Hand war warm und ein wenig rau. Die Hand eines Handwerkers, dachte sie, obwohl er vielleicht mehr Geld besaß als König Midas. Eine Hand, die ihre Nerven selbst dann vibrieren ließ, wenn er sie völlig still hielt.
    Sie schaute zu ihm hoch. In die Wärme seines Blicks mischte sich eine Hitze, die nichts mit dem zu tun hatte, worüber sie sich unterhalten hatten, sondern eindeutig auf die Nähe ihrer beiden Körper zurückzuführen war.
    „Remy kommt in der Schule nicht mehr mit. Ihre Klassenlehrerin hat mich angerufen. Sie verhaut die Klausuren. Sie macht ihre Hausaufgaben nicht. Sie hat keine Freunde. Billie, ihre einzigeFreundin, hat einen schlechten Einfluss auf sie. Ich glaube, das ist es im Wesentlichen.“ Sie schwieg. „Ach ja, und ihre Chorleiterin meint, dass sie ein musikalisches Genie ist. Sie hat das absolute Gehör. Hätte ich fast vergessen.“
    Seine Hand glitt von ihrem Arm auf die Schulter, dann in ihren Nacken. Er drückte zu. Ließ locker. Drückte zu.

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