Das Haus in Georgetown
...“ Ihr fiel auf, dass sie drauf und dran war, einem Handwerker ihr Leben zu erzählen.
„Ich bin als Kind auch gereist. Ich verstehe.“
Er drückte sich an ihr vorbei und achtete darauf, ihren Rock dabei nicht zu streifen, was ihm nicht leicht fiel, denn er war ein großer Mann. Dabei trug sie alte Sachen. Das hätte sie ihm mitteilen können, aber seine Umsicht gefiel ihr. In den ersten Wochen seiner Arbeit im Haus hatte sie Dominiks Gegenwart als etwas störend empfunden. Er war ein Mann und zudem ein Fremder. Aber im Laufe der Zeit war eine gewisse Nähe entstanden – schon weil sie beide sich den ganzen Tag allein im Haus aufhielten.
Lydia machte sich auf den Weg in die Küche. „Ich wollte mir gerade ein Glas Wasser holen. Möchten Sie auch etwas?“
Dominik folgte ihr. Vor einer Woche hatte er die Küchentapete entfernt und die Wand grundiert. Dann hatte sie alles sonnengelb gestrichen und in der Ecke ein Tellerregal mit handbemalter italienischer Keramik aufgehängt. Auf der Arbeitsfläche, neben den kobaltblauen Vorratsgefäßen, hockte ein Majolika-Hahn. Joe hatte heftig gegen das Hähnchen protestiert, aber in diesem Punkt war Lydia unnachgiebig gewesen.
„Puut-putt-putt-putt.“ Während Lydia ein Eiswürfelgefäß aus dem Gefrierfach holte und es unter den Wasserhahn hielt, um die Würfel besser herauslösen zu können, tat Dominik so, als kitzele er den Kehllappen des Hahns.
„Gefällt er Ihnen?“ Lydia drückte das Eis auf ein frisches Geschirrtuch.
„Sehr gut. Man soll lächeln, oder?“
„Ich wünschte, Sie könnten meinem Mann das klar machen.“ „Ein ernster Mann?“
„Bierernst.“
Dominik lehnte sich gegen den Arbeitstisch und schaute zu, wie sie einige Eiswürfel in zwei Gläser füllte und darauf Leitungswasser laufen ließ. Es kam ihr so vor, als würde er fast den gesamten Platz in der Küche einnehmen. Er hatte breite Schultern und lange, muskulöse Beine. Seine Haare und seine Augen waren schwarz und wirkten wild. Deshalb hatte man den Eindruck, dass es sich bei seinem guten Benehmen während der Arbeit lediglich um die Kehrseite von etwas Dunklerem handelte. Er hatte eine rosige Haut, hohe Wangenknochen und sehr ausgeprägte Züge. Seine Nase war etwas krumm und sah äußerst verwegen aus.
Sie konnte sich Dominik Dubrov gut als Kosaken vorstellen, fest im Sattel sitzend, mit dem Säbel an der Seite und einer Fellmütze auf dem Kopf, wie er über die weiten Steppen Russlands jagte.
„Ein Mann, der nicht im Stande ist zu lächeln, kann auch nicht lieben“, sagte er.
„Altes russisches Sprichwort?“
„Nein, beides macht einen glücklich.“
Lydia reichte ihm ein Glas und eine Serviette, falls er es abstellen wollte. „Manchmal kommt es mir so vor, als müsse man sich dafür schämen, wenn man sich über irgendetwas freut.“
„Manche Leute können mit glücklichen Menschen nicht umgehen.“
Unweigerlich musste sie an Joe denken.
„Sind Sie glücklich?“ Sie wusste nicht recht, warum sie ihm diese Frage stellte. So etwas fragte eine Frau ihren Handwerker nicht. Aber im Laufe der letzten Wochen hatte sie allmählich aufgehört, Dominik als bloßen Auftragnehmer zu betrachten. Er strahlte eine ruhige Klugheit aus, und dahinter spürte sie noch etwas anderes, etwas, das sie nur als „animalischen Magnetismus“ bezeichnen konnte – ein Ausdruck, mit dem „Photoplay“ oder „Silver Screen“-Stars wie Marlon Brando und den verstorbenen James Dean belegten, der aber auch auf Dominik zutraf.
„Ich habe einen Sohn. Mein Pasha macht mich glücklich.“
„Ein kleiner Junge! Wie alt ist er?“
„Zwei. Ein Satansbraten – sagt man so?“
„Ja, das ist eine gute Bezeichnung.“ Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Dominik verheiratet war. Er trug keinen Ring, aber das war nicht ungewöhnlich für einen Mann. Joe hatte sich entschieden, einen zu tragen, aber vermutlich nur, weil er so auf seine Wähler solider und vertrauenswürdiger wirkte.
„Mit nur einem Jahr hat er angefangen, sehr viel zu reden.“
Mit Kindern kannte sich Lydia nicht wirklich gut aus, aber da Dominik stolz klang, musste das wohl früh sein. „Und ich nehme an, jetzt plappert er pausenlos?“
„Und ich plappere auch zu viel. Im Schlafzimmer ist niemand?“
„Nein, Sie können hineingehen.“
Er hielt ihr das Glas hin. „Danke.“
„Dominik, was glauben Sie: Bindet ein Kind Mann und Frau stärker aneinander?“
Die Frage schien ihn nicht zu überraschen. „Das meinen
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