Das Haus in Georgetown
Lieblingsrollkragenpullover.
Als sie gerade ihr Haar bürstete, kam Alex ins Schlafzimmer, um sich zu verabschieden. Sie umarmte ihn und erkundigte sich: „Habt ihr alles, was ihr braucht?“
„Mo-om“, stöhnte er. „Ich nehme meine Legosteine mit und Remy bestimmt ihre Barbie-Puppen.“
„Sehr witzig. Ich will doch nur, dass ihr euch nicht langweilt.“
„Heute Abend gehen wir ins Kino, und morgen fahren wir zu einer Pferdeschau in Maryland.“
Sie wusste selbst nicht, warum sie so einen Aufstand machte. Joe war übers Wochenende in Richmond, und ihre Mutter würde sich gut um Alex und Remy kümmern. Selbst Remy schien sich mit dem Besuch abgefunden zu haben. Immerhin hatte sie in Great Falls keinen Hausarrest.
Faith ging im Geiste noch einmal alles durch. „Hast du deine Schlafzimmertür geschlossen, damit Gast Lefty nicht auffrisst?“
Alex verdrehte die Augen fast so gekonnt wie seine Schwester. Faith verkniff sich den Rat, seine Zahnbürste und frische Unterwäsche einzupacken. „Vergiss nicht, dass ich mein Handy dabei habe, falls ihr mich dringend erreichen müsst.“
„Ich warte draußen.“
„Ist Remy schon fertig?“
„Keine Ahnung.“
In letzter Zeit wich Alex immer aus, wenn Faith sich bei ihm nach Remy erkundigte. Er, der normalerweise nichts für sich behalten konnte, schien jetzt mit etlichen Dingen hinter dem Berg zu halten. Aber jetzt war nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.
„Viel Spaß – und bis morgen.“ Sie drückte ihn noch einmal, und diesmal erwiderte er ihre Umarmung, bevor er im Flur verschwand und die Treppe hinunterlief.
Als sie gerade ihre goldenen Ohrstecker anlegte, bemerkte sie, dass Remy in der Tür stand und sie beobachtete.
„Brauchst du noch was, bevor ihr aufbrecht?“ fragte Faith.
„Zum Beispiel? Saubere Windeln und einen neuen Teddybär?“
„Ich weiß nicht, wann ich heute Abend nach Hause komme. Es könnte spät werden. Deshalb ist es so besser.“
„Klar, ich kann ja nicht die halbe Nacht allein bleiben, während du ein Date hast.“ Das Wort „Date“ sprach sie so verächtlich aus, als wäre es etwas besonders Ekelhaftes.
Faith befestigte den zweiten Stecker an ihrem Ohr. „Ich möchte dir gern wieder vertrauen können.“
Remy wandte sich ab. „Amüsier dich gut. Denk bloß nicht an uns .“
Faith überlegte, wie Remy – ohne Zutun der Menschen, die sieliebten – zu einer wahren Meisterin des Sarkasmus hatte werden können.
Kurz darauf schlug die Haustür zu. Faith hoffte, dass ihre Mutter eintreffen würde, bevor die Kinder sich in die Wolle bekämen. Ihr Wunsch ging in Erfüllung; sie hörte, wie ein Auto auf der Straße anhielt. Dann lief sie zum Fenster und öffnete es. Lydia rief ihr einen Gruß zu. Faith winkte, aber das sahen die drei schon gar nicht mehr, weil sie mit dem Wagen davonbrausten.
Sie schloss das Fenster, drehte sich um und lehnte sich dagegen. Sie war frei. Heute Abend musste sie für niemanden mehr da sein. Pavel kümmerte sich um alles, sie brauchte nur noch zu ihm gehen. Nein, nicht einmal das, denn er wollte sie ja abholen.
Sie musste ihn nur ins Haus lassen.
Faith ertappte sich bei einem Lächeln. Doch es handelte sich nicht um das gehorsame Lächeln, das sie als Kind gelernt hatte, oder um das unnahbare Lächeln ihrer Jugendzeit. Nicht einmal um das Perfekte-Ehefrau-und-Vorbild-Lächeln, das sie während ihrer Jahre mit David so gut beherrscht hatte. Es war irgendwie strahlender und hatte mehr mit ihren wahren Hoffnungen und Ängsten zu tun. Es wirkte durch und durch echt.
Als Pavel eintraf, war sie fertig. Das Erste, was ihr auffiel, als sie ihm aufmachte, war, wie gut seine Beine in engen Jeans zur Geltung kamen. Er trug ein rotes „Scavenger“-Sweatshirt mit marineblauem Kragen und Logo. Aus dem Fehlen von Flecken und Knitterfalten schloss sie, dass es nagelneu war. Wahrscheinlich besaß er Hunderte davon.
„Neues Modell.“ Mit einer Hand zupfte er an seinem Sweatshirt herum, mit der anderen hielt er eine Einkaufstüte hoch. „Hier habe ich noch ein paar davon, für dich und die Kinder.“
Faith war gerührt. Zwar würde Remy ihr Sweatshirt wahrscheinlichals Staub- oder Schuhputzlappen benutzen, aber Alex würde begeistert sein. „Das ist wirklich lieb. Wenn es nicht so furchtbar nach Partnerlook aussähe, würde ich meines am liebsten gleich anziehen.“ Als sie bemerkte, dass sie noch in der Tür standen, nahm sie ihm die Tüte ab und bat ihn herein. „Die Kinder sind
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