Das Haus in Georgetown
nicht, dass er nochmal vorbeikommt“, sagte sie mit möglichst unbeschwerter Stimme. „Wir haben beschlossen, dass wir uns nicht mehr treffen.“
„Wieso denn das?“ fragte Alex mit vorwurfsvollem Unterton. „Das ist ungerecht. Er ist auch mein Freund.“
„Er hat dich sehr gern, und es liegt bestimmt nicht an dir. Das ist eine Sache zwischen Erwachsenen.“
„Wow, echter Zoff zwischen Liebenden“, meinte Remy sarkastisch.
„Der Tag, an dem du anfängst, dich wirklich am Kummer anderer Menschen zu ergötzen, wird der schwärzeste Tag deines Lebens sein, Remy. Lass es nicht so weit kommen.“ Faith hätte beinahe die Ausfahrt verpasst und geriet ins Schleudern, weil sie zu schnell in die Kurve gehen musste.
Remy kreischte. „Klasse, Mom, bring uns ruhig alle um!“
Faith wartete, bis sie den Wagen wieder unter Kontrolle undihr Puls sich normalisiert hatte. Sie senkte die Stimme. „Alex, dein Vater kann dir beim Programmieren helfen. Er versteht nicht so viel davon wie Pavel, aber ich bin mir sicher, dass es für dein Projekt reicht.“
„Ja, ja.“ Alex wirkte verstimmt – nicht weil er David um Hilfe bitten sollte, sondern weil ihm Pavel fehlen würde. Die beiden waren Seelenverwandte.
„Das hört sich nach einem großartigen Projekt an“, sagte sie.
„Hm-m. Ich mache es mit Grafik und so.“ Sein Enthusiasmus war verflogen.
Sie wünschte, der Abend wäre schon vorüber.
In der vorigen Woche hatte Faith im Bürogebäude des Senats vorbeigeschaut, um sich andeutungsweise bei ihrem Vater zu entschuldigen. Er hatte sie versteinert angestarrt, aber genickt und sich anschließend nach der Gesundheit der Kinder erkundigt. Ihre Antwort war förmlich gewesen, doch der Riss im Familiengewebe schien geflickt zu sein.
Seitdem hatte Joes Sekretärin sie zweimal angerufen: ein Zeichen erneuerter Gunst. Einmal bot sie Faith eine Eintrittskarte für eine Gala im Kennedy Center an, und einmal wollte sie wissen, ob Faith bereit war, bei einer Weihnachtsfeier für Kinder aus dem Armenviertel von Richmond als Gastgeberin zu fungieren. Sie hatte auf die Eintrittskarte verzichtet, aber ihre Unterstützung bei der Weihnachtsfeier zugesagt, da die Planung schon so gut wie abgeschlossen war.
Während sie den Wagen parkte, Joes Geschenk aus dem Kofferraum holte und hinter den Kindern her ging, wappnete sie sich innerlich, um diesen Abend zu überstehen. Feierlichkeiten waren in der Huston-Familie nicht ganz ohne. Das Essen war vorzüglichund das Haus immer herrlich geschmückt, und wenn es Kuchen gab, stammte er immer von der besten Konditorei der Gegend.
Doch irgendwie wollte bei diesen Feiern nie Freude aufkommen. Faith hatte keine Ahnung gehabt, wie viel Spaß Geburtstage machen konnten, bis ihre Freundinnen auf dem College eine Überraschungsparty für sie veranstaltet hatten und sie entdecken musste, dass richtige Geburtstagsfeiern aus Gelächter, Völlerei und respektlosen Neckereien bestanden.
„Hier erinnerst du mich immer daran, mit geschlossenem Mund zu kauen.“ Alex zeigte auf die unterste Stufe, dann auf die nächste. „Und hier sagst du mir, dass ich mir den Kuchen nicht mit den Fingern auftun soll.“
„Eines Tages, wenn du Präsident bist und der König von England zum Abendessen kommt, wirst du mir dankbar sein.“
Marley öffnete die Tür und drückte die beiden Kinder zur Begrüßung kräftig an sich. Faith erkundigte sich vorsichtshalber schon einmal: „Wie ist die Witterung?“
„Der Senator ist kühl wie ein Gebirgsbach. Also Sturmwarnung.“
Also alles wie immer bei solchen Familientreffen, dachte Faith. „Was gibt es zu essen? Dein umwerfendes Jerk Chicken?“
Marley ging nach hinten. „Mageren Schinken, schwarze Bohnen, Maisbrot, gedünsteter Kohlrabi, Süßkartoffeln.“
„Hat er sich das dieses Jahr gewünscht? Stellt er jetzt doch wegen seines Herzinfarkts seine Ernährung um?“ Faith blieb mitten im Flur stehen, als in ihr ein Verdacht aufkeimte. „Marley, kreuzt etwa ein Reporter heute hier auf?“
„Fotograf. Kommt aus’m Süden, um Familienfotos zu schießen und herauszufinden, was dein Daddy über den traurigen Zustand dieses Landes zu sagen hat.“
„Wann ist das entschieden worden?“
„Vor ‘ner ganzen Weile, aber deiner Mama hat keiner Bescheid gegeben.“
Davon ging Faith aus, denn wenn Lydia informiert gewesen wäre, hätte sie bestimmt angerufen und nachdrücklich darum gebeten, die Kinder „vorzeigbar“ herauszuputzen.
„Wo ist meine
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