Das Haus in Georgetown
einfach weiter laut nach. „Ich bräuchte nicht einmal sofort ein Auto. Das Busnetz des öffentlichen Nahverkehrs ist nicht schlecht. Und ich müsste mir nicht sofort einen Job suchen. Wenn wir keine Miete zu zahlen brauchen, können wir mindestens ein Jahr vom Erlös des Haus- und Cottageverkaufs leben und trotzdem noch etwas fürs College zurücklegen. Ich kann den Kindern helfen, sich einzuleben und zur Ruhe zu kommen. Sie ...“
„Wie willst du sie zur Schule bringen?“ Lydia machte eine Pause. „Du planst doch nicht etwa, sie von der Akademie zu nehmen?“
Remy und Alex besuchten eine Privatschule mit kleinen Klassen und einem traditionellen Erziehungsansatz. Dort, unter lauter Kindern aus der selben Gesellschaftsschicht, wurden die Werte und religiösen Überzeugungen, die ihnen ihre Eltern vermittelt hatten, sorgsam gefestigt. Bis zu Davids Coming-out hatte Remy sich in diesem streng reglementierten Umfeld sehr wohl gefühlt – anders als Alex.
Als Faith nichts erwiderte, durchquerte Lydia das Zimmer und fuhr mit dem Finger über ein Fensterbrett, von dem der Lack abblätterte. Jenseits des schmalen, überwucherten Hintergartens entdeckte Faith den Whitehurst Freeway, aber auch den schimmernden Potomac, und bei Nacht mussten die Lichter von Rosslyn geradezu atemberaubend aussehen.
„Ich kann nicht glauben, dass du auch nur in Erwägung ziehst, sie von ihren Freunden und Lehrern zu trennen. Sie haben bereits ihren Vater und ihr Zuhause verloren.“
„Sie haben David nicht verloren.“ Faith sprach weiter, bevor ihre Mutter etwas einwenden konnte. „Und der Rest des Schuljahres an der Akademie war schwer genug für sie: all das Gerede und das Mitleid. Überall sonst wäre das, was passiert ist, ignoriert oder schnell ad acta gelegt worden, aber nicht dort, nicht ...“
„Menschen vergessen. Es wird besser werden.“
„Mag sein, aber vielleicht wird es Zeit für Remy und Alex, zu entdecken, dass die Welt nicht das kleine Nest ist, das wir für sie gebaut haben. Vielleicht war es genauso verkehrt, sie so abzuschirmen, wie es gewesen wäre, sie allen erdenklichen Einflüssen auszusetzen. Sie waren nicht darauf vorbereitet, die Sache mit David zu verarbeiten. Ich war nicht darauf vorbereitet.“
„Von allen Leuten solltest du doch am besten wissen, dass die furchtbarsten Dinge geschehen, wenn man am wenigsten damit rechnet. Du bist mit diesem Wissen groß geworden und solltest es nie vergessen.“
Diesmal entschloss sich Faith, mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg zu halten. „Nach Hopes Entführung hast du eine Festung um dein Leben errichtet und mich darin aufgezogen. Ich bin voller Furcht vor der großen, schlechten Welt groß geworden. Ich habe einen Mann geheiratet, der mir das Leben bieten konnte, an das ich gewöhnt war. Ich habe nie irgendetwas in Frage gestellt. Und jetzt stürzt der Schutzwall ein, und das Tor steht offen. Aber wenn die Kinder und ich zu dir und Dad ziehen, werden die Mauern wieder intakt sein. Noch höher sogar.“
Lydias Stimme klang noch kälter als sonst. „Es tut mir Leid, dass du unsere Hilfe als Gefängnisstrafe auffasst.“
„Das habe ich nicht gesagt.“ Faith trat neben ihre Mutter ans Fenster. „Hör mal, lass uns ehrlich sein. Du willst nicht, dass wir bei euch wohnen. Die Kinder machen dich verrückt, und bis sie die Pubertät hinter sich haben, wird es nicht besser werden. Zu alledem möchtest du die Verantwortung für dieses Haus loswerden. Übergib sie mir.“
„Ich will nicht, dass meine Enkelkinder hier leben. Du weißt, was in diesem Haus passiert ist.“
„Auf dem Haus liegt kein Fluch. Das Haus ist eine Katastrophe, aber verhext ist es nicht. Hier ist etwas Furchtbares geschehen, aber das ist lange her. Das Leben geht weiter.“
Lydia verschränkte die Arme. „Kurz nach ... Bevor ich einsehen musste, dass Hope für immer verschwunden war, wollte ich alles abreißen lassen. Es dem Erdboden gleichmachen und ein neues Haus bauen. Aber das ging natürlich nicht. Schon damals hätten mich die Denkmalpfleger einen Kopf kürzer gemacht. Dann plante ich, es zu verkaufen. Wir brauchten Geld, um unser Grundstück in Virginia zu bezahlen. Aber damals wollte niemand am Tatort der berühmten Huston-Entführung leben.“
Faith erinnerte sich daran, dass das Haus von O. J. Simpson nach dem Verkauf abgerissen worden war. Und Nicole Simpson war nicht einmal dort ermordet worden.
Lydia schaute ihre Tochter an. „Also habe ich es behalten. Obwohl die
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