Das Haus in Georgetown
Bindung gehabt, die bisher alle Stürme im familiären Wasserglas überdauert hatte. Nur diesmal nicht.
Faith holte tief Luft, bevor sie antwortete. „Ganz ehrlich, ich hatte nicht den leisesten Verdacht. Dieses Geheimnis war wirklich gut verborgen; sogar dein Vater hat sich die Wahrheit nicht richtig eingestehen können.“
„Ach was. Jetzt kommt er mit der Wahrheit plötzlich ziemlich gut zurecht, nicht? Er lebt mit einem Mann zusammen. Sie haben Sex miteinander. Das ist so krank, dass ich gar nicht daran denken mag.“
„Du musst auch nicht daran denken, Schatz. Aber ganz gleich, was für ein Leben er jetzt führt, er ist immer noch dein Vater.“
„Er sollte überhaupt kein Vater sein. Meiner wird er nie wieder. Ich will ihn nie wiedersehen.“
Faith hütete sich zu erklären, dass Remy über kurz oder lang gar nichts anderes übrig blieb, als David zu treffen. Dass ausgerechnet der Mann, der Anti-Diskriminierungs-Gesetze immer fürüberflüssig gehalten hatte, nun jedes Gericht auf seiner Seite hätte, sobald es um sein Besuchsrecht ging.
„Lass uns über dich sprechen“, sagte sie. „Was kann ich tun, um dir das alles leichter zu machen?“
„Ich will auf ein Internat.“
Faith griff nach Remys Hand, aber ihre Tochter entzog sie ihr und boxte mit der Faust in die Luft, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen: „Ich möchte nicht bei Großmutter wohnen. Ich mache das nicht mit. Und Großvater ist unmöglich. Ich darf bestimmt keine Freunde einladen oder Musik hören. Ich will weit weg gehen und nie zurückkommen.“
Faith fragte sich, wie viele Stiche ins Herz sie noch ertragen konnte, ohne zu verbluten. „Du kannst nicht aufs Internat, Remy. Wir haben nicht das nötige Geld.“
„Du redest immer nur über Geld!“
„Dummerweise muss ich das. Ihr braucht keine Angst zu haben, dass wir auf der Straße landen, nicht genug zu essen haben oder uns keine gute Kleidung mehr leisten können. Wir laufen nicht Gefahr zu verarmen. Aber Extras wie ein Internat sind nicht drin.“
„Wenn Großmutter und Großvater uns nicht aufnehmen würden, säßen wir doch auf der Straße.“
„Bald wird alles besser. Ich werde mir Arbeit suchen. Dein Dad versucht auch wieder eine gute Stelle zu finden, um Unterhalt für euch zahlen zu können.“
„Als ob den noch irgendjemand anstellen würde. Wer will schon, dass eine Schwuchtel den Leuten mitteilt, was sie denken sollen?“
„Remy, dieses Wort wirst du nicht mehr benutzen.“
„Aber es stimmt.“
„Das ist ein abfälliger Ausdruck, und du verwendest ihn bitte nicht für deinen Vater, der dich seit deiner Geburt geliebt und umsorgt hat.“
Remy rollte sich zur Seite und drehte Faith den Rücken zu. „Wir werden immer arm bleiben. Du hast nie eine Arbeit gehabt, und er wird keine finden. Ich muss bei meiner Großmutter leben, bis ich mit der Schule fertig bin.“
Faith’ Aussichten waren in der Tat nicht rosig. Sie hatte einen einfachen Abschluss in europäischer Geschichte, aber keine Berufserfahrung. Bevor sie David traf, hatte sie vorgehabt, noch einen höheren Abschluss zu machen und dann Lehrerin zu werden. Zwar hatte sie immer davon geträumt, wieder an die Uni zu gehen, wenn die Kinder älter wären, aber ein brennendes Verlangen nach einer Berufstätigkeit hatte sie nicht verspürt. Sie hatte den perfekten Mann geheiratet. Wozu also die Eile?
Wäre David einfach gestorben, dann hätte ein dichtes soziales Netz aus ihren politischen und gesellschaftlichen Kontakten sie aufgefangen. So jedoch wäre es den meisten dieser Leute wohl zu peinlich, sie einzustellen. Sie mochte Joe Hustons Tochter sein, aber die konservativen Verbündeten des Senators würden in Faith vor allem die ahnungslose Exfrau David Bronsons sehen.
Sie versuchte Remy zu beruhigen. „Ich werde ein paar Kurse in Textverarbeitung belegen und mich nach einer Stelle im öffentlichen Dienst umschauen. Ich bin keine totale Null, weißt du. Ich bin sogar ziemlich helle.“
„Nicht helle genug, um herauszufinden, dass du mit einem Homo verheiratet warst.“
Faith zuckte zusammen. Diese Seite an ihrem Kind, das sie inund auswendig zu kennen glaubte, war ihr völlig neu. Sie musste wieder an ihr Gespräch mit Lydia denken: Hier hatte sie den Beweisvor sich, dass sie und David Nachkommen aufgezogen hatten, die nicht mit Problemen fertig wurden. Remy war ein Sonnenschein, wenn alles in ihrem Sinne lief, aber das Leben besaß auch Schattenseiten.
Das hatten Faith und David leider
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