Das Haus in Georgetown
erklären, was sie selbst nicht verstand. „Tja, es ist nicht leicht ... schwul zu sein. Und als dein Daddy jung war, war es noch härter.“
„Ja. Opa Bronson hätte ihn windelweich geprügelt.“
Davids Vater, ein bekannter Prediger, hätte genau das getan.
Arnold Bronson lebte nicht mehr, was vielleicht ganz gut war, denn Davids Coming-out hätte ihn ohnehin umgebracht.
„Woher willst du wissen, was dein Großvater getan hätte?“ Faith stand auf und drückte Alex die Hand noch einmal, bevor sie sie losließ.
„Ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Ich bin nicht so blöd, wie alle glauben.“
„Ich halte dich nicht für blöd, das weißt du doch. Du bist ziemlich clever, aber du hast eine unkonventionelle Art zu denken. Du wirst irgendetwas Großes, Wichtiges mit deinem Leben anstellen.“
„Ich will das Haus anschauen. Ich werde mich von Großmutter fern halten.“
„Gute Idee.“
„Wenn ich wirklich klug wäre, würde ich mir etwas einfallen lassen, damit Daddy zurückkommt.“
Ihre Kehle schnürte sich zu. „Du hast nichts dazu beigetragen, dass er gegangen ist, und du kannst nichts dafür tun, dass er zurückkehrt.“
„Ich möchte ihn nicht sehen.“ Er verschränkte die Arme. „Aber wahrscheinlich will er uns eh nicht treffen. Wahrscheinlich sind wir ihm egal.“
„Er will euch sehen. Er wartet, bis ihr bereit dazu seid.“
„Remy wünscht sich, dass er tot wäre.“
Faith war überrascht, dass Remy mit Alex über ihre Gefühle sprach. „Sie ist wütend. Sie wird ihre Meinung ändern.“
„Das glaube ich nicht.“
Die Sorge um ihre Kinder trieb Faith bereits seit geraumer Zeit um. Doch jetzt wurde ihr Kummer noch größer. „Mit der Zeit wird ...“
„Die Zeit hat Großmutter auch nicht geholfen, stimmt’s? Sie ist noch immer wütend wegen Hope. Und jetzt müssen wir mit ihr und Großvater zusammenleben. Er ist auch wütend. Alle sind wütend, und dass wir bei ihnen wohnen, macht sie bestimmt noch böser! Warum musstest du das Haus verkaufen?“
Der Kloß in Faith’ Hals schien anzuschwellen. „Daddy arbeitet im Augenblick nicht, und ich habe nicht die nötige Erfahrung, um einen Job zu bekommen, der genug einbringt, um die Hypothek weiter abzuzahlen. Wir werden nur so lange bei deinen Großeltern wohnen, bis wir wieder auf eigenen Füßen stehen können. Es ist nicht für immer.“
Noch als sie es aussprach, kamen Faith Zweifel. Sie hatte sich nach Wohnungen mit drei Schlafzimmern umgeschaut, aber die Mieten waren horrend. Wenn David keine gute Stelle fand – was wahrscheinlich war, denn durch seine konservative Rhetorik einerseits und sein Coming-out andererseits hatte er sich gleich an zwei Fronten den Weg verbaut –, konnten sie durchaus bei ihren Eltern festsitzen, bis die Kinder aufs College gingen.
„Alles, was ich mache, ist falsch.“ Alex wirkte niedergeschlagen, was untypisch für ihn war. „Immer wenn jemand wütend oder traurig ist, muss ich es ausbaden.“
Sie begann zu ahnen, worüber ihr Sohn sich Sorgen machte. So sah Alex also seine Zukunft: Monate voller Mäkeleien, die sich zu Jahren dehnten. Wütende Appelle, endlich das Zappeln sein zu lassen. Ständige Ermahnungen, sich zu bessern, mehr wie Remy zu sein, den starren Vorstellungen der Hustons zu entsprechen.
„Wir werden ganz sicher eine Lösung finden“, versprach sie schließlich.
„Faith, kommst du?“ Lydia lehnte sich zur offenen Haustür hinaus. „Ich brauche Hilfe. Hast du einen Notizblock? Im Autoliegt einer, ich habe ihn vergessen. Alex, benimmst du dich jetzt wieder anständig?“
Der Junge bedachte seine Mutter mit einem Blick, der zu sagen schien: Na, siehst du? Ich habe Recht gehabt, Mom.
„Wir kommen“, rief Faith. „Ich habe auch einen Notizzettel.“
„Also, ich könnte wirklich etwas Unterstützung vertragen.“ Lydia verschwand im Haus.
„Vielleicht können wir ein Zelt kaufen und campen, bis ich groß bin“, murmelte Alex. „Dann kann ich für dich sorgen.“
Faith wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
4. KAPITEL
Das Reihenhaus war umsichtig geplant worden. Das Erdgeschoss beherbergte ein großzügiges Wohnzimmer, das in ein Esszimmer überging. Zudem gab es eine Küche, eine Toilette und eine kleine Frühstücksnische, die allesamt nach hinten hinausgingen. Der erste Stock bestand aus einem schmalen Flur, drei Schlafzimmern und einem Bad. Das zweite Obergeschoss war ein großer Dachboden, der als Speicher diente.
Bis zum Speicher würden
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