Das Haus in Georgetown
versäumt, ihrer Tochter zu vermitteln.
Sie stand auf. Mitgefühl hatte keine Wunder bewirkt. Es war Zeit für die Wahrheit. „Also, Remy, so sieht’s aus: Wir haben das Haus verkauft. Wir hatten keine andere Wahl. Dein Vater und ich lassen uns scheiden, und auch dazu gibt es keine Alternative. Du bist vierzehn und musst damit leben. Aber es gibt ein paar Dinge, auf die ich Einfluss nehmen kann. Ich habe etwas ausgeklügelt, damit wir nicht bei euren Großeltern in Great Falls wohnen müssen.“
Wie Faith vermutet hatte, gewann Remys Neugier zögerlich die Oberhand. „Wie soll das gehen?“
„Wenn deine Großmutter Ja sagt, werden wir in das Haus in der Prospect Street ziehen.“
Remy setzte sich auf. Fassungslos starrte sie ihre Mutter an. „Du machst wohl Witze! Das Haus stinkt, als hätte jemand in die Korridore gemacht. Und in der Küche habe ich ein Tier gesehen, vielleicht eine Ratte, und auf der Straße hat ein Penner Dosen aus dem Müll gefischt. Und wie sollte ich von da zur Schule kommen?“ Sie stockte, als ihr die Antwort dämmerte. „Gar nicht, was?“
Faith dachte nach, was sie auf diese Frage entgegnen sollte. Sie war in diesem Punkt selbst noch zu keiner Entscheidung gelangt und musste ihre Antwort vorsichtig formulieren. „Bis jetzt steht noch gar nichts fest, was die Akademie angeht. Das Schulgeld ist zu hoch, wenn ich außerdem noch etwas fürs College ansparenwill. Ich muss jetzt alles, was ich habe, gut anlegen, damit ihr gute Universitäten besuchen könnt.“
„Lass Großvater das College bezahlen. Das würde er.“
„Wenn er zahlt, bestimmt er auch, an welches College du zu gehen hast und welches Hauptfach du studieren wirst. So sieht es nun mal aus.“ Faith hatte es schließlich selbst erlebt.
„Dann lass ihn für die Akademie zahlen. Das würde er.“
Faith war sich da gar nicht so sicher. Selbst wenn sie ihn anflehen würde: Er ärgerte sich immer noch sehr über die demütigende „Fahnenflucht“ seines Schwiegersohnes, dass ihm durchaus zuzutrauen war, seine Enkel für Davids Sünden büßen zu lassen.
Aber selbst wenn er das Schulgeld zahlen würde, sie wollte nicht von Joe Huston abhängig sein. Er war ein strenger Mann, und als Senator waren ihm sämtliche Druckmittel recht. Wenn er Faith half, die Bildung der Kinder zu finanzieren, würde er sie das ständig spüren lassen, was sicherlich nicht sehr angenehm war.
Faith sah ihre Tochter an. „Ich will ehrlich sein, denn du bist alt genug, um damit umgehen zu können. Das letzte halbe Jahr an der Akademie war kein Zuckerschlecken für dich, und für deinen Bruder ist es das nie gewesen. Ich finde, ihr braucht eine neue Schule, eine, die nicht so tut, als denke alle Welt dasselbe. Es wird Zeit, dass ihr über den Tellerrand hinausschaut.“
„Ich werde nicht auf eine staatliche Schule gehen.“
„Vielleicht ist ein Neuanfang gut für dich. Du brauchst kein Internat, sondern eine andere Perspektive. Die staatliche Schule könnte dir genau das bieten.“
„Du willst doch nur deine kostbaren Ersparnisse nicht an mich verschwenden. Ich bin dir egal.“
Das Telefon klingelte, und als Remy sich nicht rührte, griff Faith nach dem Hörer. Ihre Mutter war am Apparat.
Ein paar Augenblicke später hängte Faith ein.
„Du zwingst uns also wirklich, in diesen Slum zu ziehen, was?“ stellte Remy fest. „Ganz egal, was ich sage.“
Faith fragte sich, worauf sie sich da gerade eingelassen hatte. Sie hatte die Sicherheit von Great Falls und einen Lebensstil aufgegeben, der ihr zumindest vertraut war. Gegen diese bekannte Größe hatte sie eine Bruchbude in der Prospect Street und die zweifelhaften Freuden des Stadtlebens eingetauscht.
Sie nickte kurz. „Georgetown ist alles andere als ein Slum. Wenn du das glaubst, hast du wirklich noch nicht genug von der Welt gesehen. Das wird sich jetzt ändern. Deine Großmutter hat sich entschlossen, uns in dem Haus wohnen zu lassen.“
„Ich gehe nicht mit.“
Remy würde gar nichts anderes übrig bleiben. Faith hoffte nur, dass ihre Tochter in nicht allzu ferner Zukunft begreifen würde, warum dieser Umzug und alles, was damit zusammenhing, nötig war.
Eine Stunde später lag Faith im großen Badezimmer in der Wanne. Sie hatte das Gespräch mit Remy beendet, um ihrem Sohn die Neuigkeiten mitzuteilen. Alex war sehr in seine Versuche vertieft gewesen, die strikten Zugangsbeschränkungen zu umgehen, die David auf seinem Computer eingerichtet hatte. Als sie mit ihrer kleinen
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